Denkmäler barrierefrei umbauen: Ein ökologisch und ökonomisch sinnvolles Investment

Die barrierearme, inklusiv konzipierte Gestaltung unserer gebauten Umwelt gewinnt in einer alternden Gesellschaft rapide an Bedeutung. Eine besondere Herausforderung stellt die Weiterentwicklung des geschütztes Gebäudebestandes dar. „Denkmäler weiterzuentwickeln und dabei auf barrierefreie Gestaltung zu achten, ist ein ökologisch, ökonomisch und sozial gutes Investment“, unterstrich der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, am 18. April auf der Regionalkonferenz „Inklusiv gestalten – Barrierefreiheit und Denkmalschutz“, die in Essen von der Bundesarchitektenkammer, der Architektenkammer NRW sowie dem Bundesbeauftragten für die Belange der Menschen mit Behinderungen durchgeführt wurde. Rund 250 Architektinnen und Architekten nahmen an der Fachveranstaltung teil.

„Barrierefreiheit hat eine tiefe soziale Dimension und ist ein Qualitätsmerkmal für eine moderne Infrastruktur“, unterstrich der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel. 13,6 Mio. Deutsche hätten eine Behinderung, so Jürgen Dusel. „Zur Demokratie gehört die Teilhabe aller. Inklusion und Demokratie sind zwei Seiten derselben Medaille.“

Im Eröffnungspanel der von Katrin Müller-Hohenstein (ZDF) moderierten Regionalkonferenz „Inklusiv gestalten“ verwies der Präsident der größten deutschen Architektenkammer, Ernst Uhing, darauf, dass in den kommenden Jahren viele Baumaßnahmen im Gebäudebestand umgesetzt werden müssten, um die Ziele des Klimaschutzes zu erreichen. „Es ist eine große Chance, dabei zugleich die barrierefreie Weiterentwicklung unserer Bestandsgebäude anzustreben“, so Uhing. Dazu seien eine individuelle Planung, aber auch die Fähigkeit zum Kompromiss vonnöten. „Jeder in eine gute Planung investierte Euro spart in der Ausführung viel Geld und kann dazu beitragen, die Nutzungsdauer und die Qualität für alle Nutzergruppen zu erhöhen.“

Etwa 1,5 Prozent der Bauwerke in Nordrhein-Westfalen stehen unter Denkmalschutz. „Es entspricht den Forderungen des Denkmalschutzgesetzes des Landes NRW, Denkmäler möglichst barrierearm weiterzubauen“, erklärte Dr. Andrea Pufke, Landeskonservatorin Rheinland (LVR). Sie forderte allerdings auch „architektonisch anspruchsvolle, bautechnisch effektive und innovative Lösungen“, die dem spezifischen Charakter des Denkmals gerecht werden müssten. „Die Bereitschaft zum Interessensausgleich muss auf allen Seiten da sein“, betonte Andrea Pufke.

Der Landeskonservator Westfalen-Lippe, Dr. Holger Mertens (LWL), hob die Chancen hervor, die im Weiterbauen für Denkmäler liegen. „Es ist eine Tatsache, dass Baudenkmäler nur dann dauerhaft erhalten werden können, wenn sie auch genutzt werden können.“ Der höchst unterschiedliche bauliche Bestand erfordere allerdings immer wieder individuelle Lösungen. „Aus Sicht der Denkmalpflege wird es immer darum gehen, dass nicht zu stark in Substanz, Struktur oder Erscheinungsbild des Denkmals eingegriffen wird“, führte Landeskonservator Mertens aus. Er wies darauf hin, dass es für einige Problemstellungen bereits erprobte Lösungen gebe, die in leicht abgewandelter Form eingesetzt werden könnten. „Wichtig ist, Fachplanerinnen und Fachplaner einzubeziehen, die auf das Themenfeld spezialisiert sind und denen die DIN-Vorgaben und erprobte bauliche Lösungen bekannt sind.“

„Jeder Eingriff bedeutet Zerstörung. – Zerstöre mit Verstand!“ Diese Forderung des Schweizer Architekturprofessors Luigi Snozzi zitierte Prof. Michael Schwarz in seinem Impuls zur Regionalkonferenz „Inklusiv gestalten“. Die Fragestellung nach der inklusiven Gestaltung, der Barrierefreiheit, sei in ihrem Kern eine alltägliche Notwendigkeit, die im „Sonderfall Denkmal“ mit Sorgfalt, Wertschätzung und Kreativität erfolgreich bearbeitet werden könne. Als Beispiel führte Prof. Schwarz das von seinem Büro „Spital-Frenking + Schwarz Architekten Stadtplaner“ sanierte und weitergebaute frühere „Museum am Ostwall“ in Dortmund an: Das älteste erhaltene Profanbauwerk im Innenstadtbereich der Westfalenmetropole wurde zum Sitz des „Baukunstarchivs NRW“ weiterentwickelt, das seit bald fünf Jahren ein lebendiges Dokumentations-, Forschungs- und Kommunikationszentrum ist.

Für die Gelsenkirchener Architektin Isabella Bailly etwa bedeutet das Planen und Bauen im denkmalgeschützten Gebäudebestand stets ein Ringen um die beste Lösung unter Berücksichtigung verschiedener Anforderungen. „Neben der Barrierefreiheit sind auch Anforderungen an Brandschutz, Klimaschutz und natürlich die Statik zu beachten“, erläuterte die Architektin. „Es gibt nur Einzelfallentscheidungen und keine allgemein gültigen Lösungen.“ Wichtig sei, die Barrierefreiheit vom Anfang eines Planungsprozesses an mitzudenken.

Dass der Anspruch auf eine Umwelt ohne Barrieren auch für Außenräume von hoher Relevanz ist, machte Landschaftsarchitekt Matthias Funk (scape, Düsseldorf) deutlich. „Barrierearme Gestaltung ist integraler Bestandteil unserer Planungskultur und wird daher selbstverständlich im Planungsprozess mitgedacht“, so Funk. Gerade der öffentliche Raum unterliege allerdings vielfältigen Anforderungen unterschiedlichster Interessensgruppen. „Die Planung ist keine additive Zusammenstellung der Einzelinteressen, sondern muss einem gestalterischen Gesamtkonzept folgen.“

Es habe in den letzten Jahren spürbare Fortschritte gegeben, den gesellschaftlichen Anspruch auf Inklusion und damit auf eine möglichst barrierefreie gebaute Umwelt umzusetzen, resümierte Martin Müller, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, die Ergebnisse der 16. Regionalkonferenz „Inklusiv gestalten – Denkmalschutz und Barrierefreiheit“. Es müsse immer wieder betont werden, dass barrierefreies Planen nicht oder kaum teurer sei. „Wichtig sind die Bewusstseinsbildung und das fachliche Know-how. Dazu tragen unsere Konferenzen bei!“

Mit der Regionalkonferenz in Essen wurde eine Konferenzreihe fortgesetzt, die sich bundesweit mit dem Thema „Barrierefreies Bauen“ befasst. Die nächsten Termine sind „Regionalkonferenz der Architektenkammern Bremen und Niedersachsen“ am 25.5. (in Bremen) sowie „Regionalkonferenz der Architektenkammer Thüringen“ am 2.11.2023 (in Erfurt).

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