Auch in Krisenzeiten Schlaganfallsymptome ernst nehmen

Schlaganfallexperten raten dringend, Anzeichen für einen Schlaganfall auch in Zeiten der Corona-Epidemie ernst zu nehmen, die 112 zu wählen und sich umgehend notfallmedizinisch in einer Klinik behandeln zu lassen. Die Angst, sich dort möglicherweise mit dem SARS-Co2-Virus anzustecken, sei unbegründet: Krankenhäuser achten darauf, dass die „normale“ Notfallversorgung von der Aufnahme und Versorgung mit dem Coronavirus infizierter Patienten getrennt ist. Auch bei der sogenannten transitorischen ischämischen Attacke (TIA) besteht akuter Behandlungsbedarf, da sie der Vorbote eines starken Schlaganfalls sein kann.

In Deutschland nimmt derzeit die Zahl der Patienten ab, die mit akuten Schlaganfall- oder Herzinfarktsymptomen in die Klinik kommen, berichtete beispielsweise die Berliner Universitätsklinik Charité vor einigen Tagen. „Es liegt die Vermutung nahe, dass viele Menschen im Moment trotz beunruhigender Schlaganfallsymptome aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus nicht ins Krankenhaus gehen“, sagt Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Das sei eine fatale Entscheidung, denn im Kontext der Schlaganfallbehandlung gilt die Devise: „Time is brain“, das heißt, jede Minute des Zögerns erhöht das Risiko, dass der Patient stirbt oder dauerhafte Beeinträchtigungen wie Lähmungen, Sprach- und Verständnisstörungen, Seh- oder Koordinationsstörungen sowie Depressionen eintreten.

Zu einem Schlaganfall kommt es in den überwiegenden Fällen dann, wenn ein Blutpfropf eine Gehirnarterie blockiert. Die dahinterliegenden Hirnbereiche werden nicht mehr durchblutet und damit geschädigt. Viel seltener geht der Hirninfarkt, auch Insult genannt, auf das Reißen eines Blutgefäßes im Gehirn zurück. „Ein Schlaganfall ist immer ein medizinischer Notfall“, betont Schäbitz. Jede und jeder sollte daher die Leitsymptome kennen und wissen, was im Notfall zu tun ist, so der DSG-Pressesprecher.

Zu den Schlaganfallanzeichen gehören: einseitige Lähmung, Gefühls-, Seh- und Sprachstörungen, Gangunsicherheit sowie plötzlich auftretende Kopfschmerzen. Wenn jemand bei einem anderen diese Symptome bemerkt, hilft der einfache FAST-Test, um diese Anzeichen zu prüfen. FAST steht dabei für Face, Arm, Speech und Time. Zunächst wird der Betroffene um ein Lächeln gebeten (Face). Wenn sich das Gesicht einseitig verzieht, deutet das auf eine Gesichtslähmung hin. Dann bittet man die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer – meist einseitigen – Lähmung kann ein Arm die Hebung und/oder Drehung nicht mitvollziehen. Anschließend wird noch getestet, ob der Betroffene noch einen einfachen Satz nachsprechen kann (Speech). Gelingt der betroffenen Person dies nicht oder klingt der Satz undeutlich, ist das ebenfalls als Warnsignal zu werten. „Wenn nur eine der drei Reaktionen auffällig ist, muss sofort die 112 gewählt werden“, sagt Schäbitz. Das vierte Stichwort „Time“ erinnert noch einmal daran, dass jede Minute zählt.

Auch die sogenannte transitorische ischämische Attacke (TIA), eine vorübergehende Lähmung, Sprach- oder Sehstörung, ist ein medizinischer Notfall, der sofort einer professionellen Behandlung bedarf. „Die TIA ist bei zehn Prozent der Betroffenen Vorbote eines großen Schlaganfalls“, betont Professor Dr. med. Helmuth Steinmetz, 1. Vorsitzender der DSG. „Rasch betreut, klar diagnostiziert und auf einer Stroke Unit behandelt, kann dieser ‚Folge-Schlaganfall‘ in vier von fünf Fällen abgewendet werden“, so Steinmetz, Direktor der Klinik für Neurologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Das haben Auswertungen des internationalen TIA-Registers gezeigt. „Eine TIA ist zwar reversibel, das heißt ‚umkehrbar‘. Der Patient hat nach kurzer Zeit keine Einschränkungen mehr. Aber sie kann eben auch der Vorbote für einen nächsten großen Schlaganfall sein“, mahnt Steinmetz. Erkennen kann man die TIA an den oben genannten Leitsymptomen, allerdings verschwinden sie nach kurzer Zeit. TIA-Patienten erhalten zur Vermeidung eines weiteren Schlaganfalls in aller Regel blutverdünnende Medikamente.

„Patienten mit Schlaganfallsymptomen müssen ohne Verzögerung in die Notaufnahmen kommen. Dort werden sie wie sonst auch gut und rasch versorgt. Eine relevante Gefahr der Ansteckung mit dem Corona-Virus besteht nicht“, betonen Schäbitz und Steinmetz. Die Sorge vor einer möglichen Infektion in der Notaufnahme oder auf den Stationen sei unbegründet, denn die Betreuung und Versorgung von potentiell mit SARS-Co2-Viren infizierten Patienten und Notfallpatienten läuft in deutschen Kliniken getrennt.

Die Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft rufen dringend dazu auf, jetzt nicht aus Angst vor einer Ansteckung Anzeichen zu ignorieren oder zu bagatellisieren. Ein Schlaganfallpatient ist und bleibt ein Notfall und muss umgehend in die Notaufnahme einer Klinik.

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