Die Gedenkstätte Ravensbrück trauert um Prof. Wanda Półtawska

Am 25. Oktober ist die Ravensbrück-Überlebende Prof. Wanda Półtawska mit 101 Jahren in Krakau verstorben. „Wir verabschieden uns von einer eindrucksvollen Frau, einer unermüdlichen Zeugin und Mahnerin, die der Gedenkstätte Ravensbrück über viele Jahrzehnte eng verbunden war“, sagte Gedenkstättenleiterin Andrea Genest. „Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie. Wanda Półtawska wird uns fehlen.“

Die am 2. November 1921 geborene Wanda Półtawska schloss sich nach dem deutschen Überfall auf Polen als Pfadfinderin der Widerstandsbewegung an und übernahm Kurierdienste. Die Gestapo verhaftete sie 1941 und deportierte sie nach sechsmonatiger Haft im Lubliner Schloss in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie bis zum Kriegsende inhaftiert blieb. Sie leistete Zwangsarbeit und wurde von SS-Ärzten mit 73 weiteren Polinnen und zwölf Frauen aus anderen Ländern für medizinische Experimente ausgewählt. Bei Versuchen zur Behandlung von Wundbrand mussten die Frauen schmerzhafte und entstellende Operationen über sich ergehen lassen sowie absichtlich verursachte Entzündungen und Vereiterungen.

Gemeinsam mit anderen Häftlingen konnte Wanda Półtawska Beweise dieser Verbrechen sammeln und aus dem Lager schmuggeln, die nach Polen und an die polnische Exilregierung in London gelangten. Nach dem Krieg schrieb sie ihre Erinnerungen auf, um ihren Alpträumen zu entkommen. Ihr 1961 erschienenes Buch „Denn ich fürchte meine Träume“ gehört zu den meistgelesenen Erinnerungen einer ehemaligen Gefangenen und ist ein unverzichtbares Werk der Ravensbrück-Literatur.

Wanda Półtawska studierte Medizin und Psychologie und spezialisierte sich im Bereich der Psychiatrie. Sie gehörte zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich früh mit Traumata und Haftfolgen von KZ-Überlebenden auseinandersetzten. Sie war mit dem Philosophen Andrej Półtawski verheiratet, mit dem sie vier Töchter hatte. Wanda Półtawska war eine politische, gläubige und willensstarke Frau. Sie setzte sich für ihre gesellschaftspolitischen Ziele ein und blieb ihrem Freund Karol Wojtyla, dem späteren Papst Johannes Paul II., bis zu seinem Tode eine enge Freundin und Vertraute.

Im Jahr 2002 nahm Wanda Półtawska an der Eröffnung der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Ravensbrück teil und erinnerte an das von polnischen Inhaftierten im KZ Ravensbrück verfasste und verloren gegangene Testament. Der darin formulierte Wunsch, dass Ravensbrück zu einer Schule des Friedens werden solle, um aus der Vergangenheit zu lernen, sei mit der neuen Jugendbegegnungsstätte in Erfüllung gegangen, sagte sie damals. 2015 veröffentlichte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten die Kassiber aus dem KZ Ravensbrück über die medizinischen Versuche in dem Band „Damit die Welt es erfährt …“. Zuletzt hat Wanda Półtawska die Gedenkstätte Ravensbrück im September 2022 anlässlich der Beisetzung von polnischen KZ-Opfern besucht.

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