Hyposmie bei COVID-19: Riechstörungen sind HNO-ärztlich zu erklären

Die mit einer Coronainfektion sehr häufig einhergehenden Riechstörungen, sind aus HNO-ärztlicher Sicht zu erklären. Darauf verweist der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte. „Die bislang vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass der Riechverlust durch COVID-19 auf eine Schädigung des Riechepithels zurückzuführen ist“, konstatiert Dr. Dirk Heinrich, Präsident des HNO-Berufsverbandes. Damit können auch die auftretenden Riech-Halluzinationen erklärt werden. Für primär neurologische Ursachen der Hyposmie gebe es aktuell hingegen keine ausreichend belastbaren Hinweise, so Heinrich.

Obwohl noch viele Fragen zu COVID-19 ungeklärt sind, wurden einige Begleiterscheinungen der Infektion mit SARS-CoV-2 bereits gut dokumentiert. So kommt es bei etwa 85 Prozent der an COVID-19 erkrankten Personen zu Riechstörungen, die von einem verminderten Geruchsvermögen, auch Hyposmie genannt, bis zum kompletten Riechverlust, einer sogenannten Anosmie, führen können. Auch die im Krankheitsverlauf beobachteten Fehlwahrnehmungen von Gerüchen können aus HNO-medizinischer Sicht erklärt werden, führt PD Dr. Jan Löhler, Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO), aus.

Der menschliche Geruchssinn sei das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen Nase und Hirn, so Löhler: „Wir besitzen ca. 30 Millionen Riechzellen, die sich andauernd erneuern und sich auf einem wenige Quadratzentimeter großen Bereich an den obersten Nasenmuscheln an der Schädelbasis befinden. Die Sinneszellen auf dem sogenannten Riechepithel treten an einem Ende über feine Sinneshaare mit der Außenwelt in Kontakt und haben an ihrem anderen Ende über den langen, dünnen Nervenfortsatz direkten Zugang zum Gehirn. Zwischen den Rezeptorzellen und der Hirnrinde liegt der Bulbus olfactorius. Dieser vorgestülpte Teil des Gehirns ist die synaptische Schaltstelle der Geruchswahrnehmung. Die Informationsverarbeitung der Gerüche setzt sich in weiteren Teilen des Gehirns fort“, erklärt Löhler.

Bei einer Coronainfektion werden die für die Geruchswahrnehmung verantwortlichen Bereiche der Nase in Mitleidenschaft gezogen, so HNO-Arzt Löhler: „Im Rahmen einer COVID-19-Infektion werden die Zellen des Riechepithels und des Bulbus olfactorius direkt vom Virus befallen und geschädigt. Durch diesen Rezeptorausfall kommt es bei COVID-19-Patienten primär zu den beschriebenen Riechstörungen.“ Zwar werde ein sekundärer Befall zentraler Anteile des Gehirns ebenfalls diskutiert. Wie auch bei anderen viralen Entzündungen der Nasenschleimhäute sei die Schädigung des Riechepithels jedoch für die Riechstörung hauptverantwortlich, unterstreicht der WIAHNO-Direktor.

Auch das Auftreten von Riech-Halluzinationen, von denen im Zuge der Coronakrankheit immer wieder berichtet wird, lässt sich auf dieser Grundlage erklären, so Löhler weiter: „Der Mensch kann etwa 10.000 Düfte unterscheiden. Bei allen natürlich vorkommenden Düften handelt es sich um spezifische Duftgemische mit charakteristischen Leitdüften. Für die klinische Differenzierung werden sieben Duftklassen verwendet, von blumig und ätherisch bis schweißig und faulig.“

Im Verlauf der Genesung nach einer Virusinfektion der oberen Luftwege könne es mitunter zu einer partiellen Regeneration des Riechepithels kommen, die mit fehlerhaften Riechwahrnehmungen einhergehe, so HNO-Arzt Löhler: „Sofern die Regeneration des Riechsinnes nur unvollständig erfolgt, werden auch nur unvollständig Informationen von komplexen Gerüchen an das Gehirn übertragen. Weil bestimmte Duftkomponenten fehlen, kann es sein, dass beispielsweise bei einem gebratenen Stück Fleisch nur noch die teerige Komponente wahrgenommen wird, die ebenfalls vorhandenen, als süßlich interpretierten Anteile, jedoch nicht mehr gerochen werden.“ Da schlimmstenfalls nur noch als unangenehm bewertete Anteile eines komplexen Duftes wahrgenommen werden, können normalerweise angenehme Gerüche als ausgesprochen unangenehm empfunden werden, beschreibt Jan Löhler das Phänomen. Dies habe große Auswirkungen auf den Alltag der Patienten.

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