Erwachsene, die nochmal Lesen und Schreiben lernen

Uwe K.* liest gerade einen Absatz aus einer Zeitungsbeilage in leichter Sprache vor. Es geht um die OSZE und deren Aufgaben, Uwe stockt ein paar Mal, tut sich schwer. Den nächsten Abschnitt liest Anke S.* vor, schon etwas flüssiger. Sie haben eines gemeinsam: Sie sind sogenannte funktionale Analphabeten und wollen noch einmal von vorne beginnen und richtig Lesen und Schreiben lernen.

Einer Studie zufolge gab es 2011 in Deutschland 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, die so genannte „funktionale Analphabeten“ sind – im Vogelsbergkreis wären das heruntergerechnet über 7.000 Menschen. Funktionale Analphabeten können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, nicht jedoch zusammenhängende Texte verstehen.

An diesem Dienstag sind es nur wenige, die sich um den runden Tisch im Selbstlernzentrum in Lauterbach versammelt haben: Drei Männer und eine Frau mittleren Alters, zwei weitere Kursbesucher fehlen in der Runde. Zweimal pro Woche, Dienstag und Freitag vormittags, findet der Kurs „Lesen und Schreiben von Anfang an“ statt. Tilla Lotz leitet das Angebot schon seit vielen Jahren und weiß, wie individuell die Geschichten der Lernenden sind und wie individuell auch das Lernen gestaltet werden muss, damit es zu Erfolgen führt.

Was passiert eigentlich, wenn man als Kind nicht richtig Lesen und Schreiben gelernt hat? Wenn es zuhause keine Unterstützer gab, die einem das Lesen schmackhaft gemacht haben? Als Erwachsener kann man dann nicht flüssig schreiben – außer vielleicht noch seinen Namen. Man kann keine Schilder oder unbekannte Wörter lesen, längere Texte sind nicht zu verstehen und jeder Brief stellt ein Problem dar.

So ging es Anke S. auch: Zuhause hatte sich niemand für ihre schulischen Leistungen interessiert, damit ging es los. Sie kam auf die Sonderschule, nach deren Abschluss hat sie sich den Hauptschulabschluss ermogelt: „Ich hatte die Möglichkeit den Abschluss noch dranzuhängen, meine Mutter wollte aber die Papiere nicht unterschreiben“, erzählt sie. Dann hat sie das kurzerhand selbst getan und war erfolgreich. Zum Glück hatte sie an der Schule einen Fürsprecher als der Betrug aufflog und durfte ihren Abschluss fertig machen. Die schlechten Lese- und Schreibkenntnisse aber blieben, und erst bei der Jobsuche fiel es richtig auf, weil sie keine Bewerbung schreiben konnte. Durch Zufall habe sie von diesem Kurs erfahren, erzählt Anke S. weiter, „das war endlich etwas Sinnvolles“, findet sie.

Bei Uwe K. und seinem Bruder war es ähnlich: Sie waren die beiden Nachzügler, „unsere großen Geschwister waren schon aus der Schule und verheiratet, da hat uns keiner mehr geholfen. Das war halt einfach so“. Sie kamen dann auch irgendwie klar, hatten Hilfsarbeiterjobs im Straßenbau, für den Alltag und beim Einkaufen reichten die geringen Kenntnisse gerade so aus. Wenn es um längere Schreiben oder Verträge ging, half die Schwester.

In dem laufenden Kurs der vhs werden neben aktuellen politischen Themen in leichter Sprache auch andere Texte gelesen und besprochen. „Ernährung und Bewegung sind die momentanen Schwerpunkte“, erläutert Kursleiterin Tilla Lotz, „die Arbeitsmappe BUCHSTÄBLICH FIT vom Bundeszentrum für Ernährung ermöglicht Teilnehmenden des Kurses ihre Kenntnisse im Lesen und Schreiben zu verbessern. Das Lernmaterial ist in vier verschiedenen Schwierigkeitsstufen ausgearbeitet und kann dadurch gleichzeitig in den unterschiedlichen Lernstufen eingesetzt werden. Die Ergebnisse der Lernmaterialien werden dann mit allen der Gruppe besprochen und diskutiert. Das eigene Ernährungs- und Bewegungsverhalten wird reflektiert und kann zu positiven Veränderungen beitragen.“

Der Kurs findet dienstags und freitags von 9:00 Uhr bis 12:15 Uhr in Lauterbach statt. Schnuppern im Kurs ist unverbindlich möglich. Die Lerngruppe freut sich auf weitere Mit-Lernende. Ansprechpartnerin bei der Volkshochschule ist Monika Wüllner, Telefon 06631 792-7770, monika.wuellner@vogelsbergkreis.de.

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