Mit hoher Geschwindigkeit haben sich die Mitgliedstaaten der EU und die übrigen G7-Länder bisher auf umfassende und überwiegend gleichlaufende Sanktionsmaßnahmen gegen Russland und Belarus geeinigt. Damit Unternehmen und Banken diese zielgenau umsetzen können, bedarf es präziser Formulierungen, die keine Auslegungsfragen offenlassen. Ein Nicht-Gleichlauf oder Unklarheiten in den Sanktionsvorgaben führen bei Banken möglicherweise zu stärkerer Zurückhaltung, um Rechtsrisiken zu vermeiden.
Konjunkturelle Entwicklung im Zeichen des Krieges
Noch Anfang des Jahres standen die Signale mit dem allmählichen Abflauen der Omikron-Welle im Frühjahr auf Wachstum: Sowohl die sinkenden Arbeitslosenzahlen als auch eine anziehende Produktion sendeten – trotz bereits deutlicher Preissteigerungen – vielversprechende Signale. Mit Kriegsausbruch haben sich die Aussichten für das laufende Jahr aber deutlich eingetrübt. Die Kombination aus einer stark erhöhten Inflation, ansteigenden Energie- und Rohstoffpreisen und weiterhin brüchigen Lieferketten sowie einem zunehmenden Fachkräftemangel sorgt dafür, dass die Prognosen für das laufende Jahr zuletzt deutlich nach unten revidiert wurden und in Deutschland lediglich mit einem Wachstum zwischen 1,5 % und 2 % gerechnet wird.
Die Inflationsrate – aktuell knapp über 8 % im Euroraum – dürfte auch mittelfristig deutlich über den von der Europäischen Zentralbank (EZB) avisierten 2 % liegen. Zuletzt veröffentlichte Äußerungen aus den Reihen des EZB-Rats deuten darauf hin, dass erste Reaktionen auf das geänderte Preisumfeld unmittelbar bevorstehen, damit auch die Anhebung des Leitzinssatzes. Aus Sicht des Bankenverbandes sollte die EZB die Negativzinspolitik in einem Schritt von 50 Basispunkten noch vor der Sommerpause beenden. Das wäre ein wichtiges Signal, um die steigenden Inflationserwartungen zu bremsen.
Unternehmen ächzen unter den unterschiedlichen Herausforderungen…
Die Auswirkungen des Krieges sowie die Nachwirkungen der Pandemie treffen mit voller Wucht auf die an sich gut aufgestellten deutschen Unternehmen. Ob direkt oder indirekt vom Krieg betroffen, die Mischung aus (seit Corona) porösen Lieferketten, massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen sowie einem möglicher Gaslieferstopp bzw. plötzlichen Versorgungsengpässen verdüstern gegenwärtig den Ausblick. Indikatoren hierfür sind unter anderem ein bereits in einzelnen Branchen feststellbarer Rückgang der Produktion sowie eine weiterhin zurückhaltende Investitionsbereitschaft. Zwar lässt sich derzeit noch keine Zunahme an Unternehmensinsolvenzen feststellen – im Gegenteil: noch liegen diese deutlich unter dem Vorkrisenniveau –, doch es muss damit gerechnet werden, dass einzelne Unternehmen in den kommenden Monaten in Schwierigkeiten geraten könnten.
Anders als während der Corona-Pandemie sendet die Bundesregierung erste Signale in Richtung Unternehmen und Verbraucher, wonach Effekte wie Preisanstiege oder Engpässe nicht gänzlich zu verhindern seien und die Auswirkungen der sogenannten Zeitenwende dauerhaft spürbar sein dürften. Gleichwohl stehen unverschuldet in Notlage geratenen Unternehmen bereits jetzt erste Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung, die bei Bedarf kurzfristig erweitert werden können. Zwar ist die Nachfrage nach dem neuen KfW-Sonderprogramm sowie den Angeboten der Bürgschaftsbanken gegenwärtig noch recht gering, und anders als während der Corona-Pandemie ist auch kein vorsorgliches Eindecken mit Liquidität erkennbar. Doch dies kann sich je nach weiterer Entwicklung schnell ändern. Zumindest als Signal sind diese staatlichen Angebote ergänzend zur regulären Unternehmensfinanzierung über Kredite oder den Kapitalmarkt ein wichtiges Signal der Stabilisierung in Zeiten der Ungewissheit.
…während deren Kreditbedarf deutlich zunimmt
Deutlich ablesbar ist der höhere Bedarf an Fremdkapital in aktuellen Zahlen der Bundesbank: Nach den volatilen Zahlen während der Hochphase der Pandemie spricht das ausstehende Kreditvolumen von Unternehmen und Selbstständigen im ersten Quartal 2022 für eine dynamische Nachfrage. Bereits im dritten Quartal in Folge steigt das Volumen deutlich an, zuletzt insbesondere bei privaten Banken (v. a. Großbanken und Auslandsbanken), die damit ihre Rückgänge der vergangenen Quartale wettmachen können. Ein weiterer Beleg für den unmittelbaren Finanzierungsbedarf der Unternehmen ist die massive Nachfrage nach kurzfristigen Krediten. Hinsichtlich der Kreditvergabestandards erwarten Banken und Unternehmen derweil eine leichte Verschärfung, die in erster Linie auf höhere Risikoeinschätzungen und -vorsorge bzw. eine geringere Risikotoleranz zurückzuführen ist.
Herausforderungen werden weiter zunehmen – Rahmenbedingungen müssen stimmen
Angesichts der Vielzahl an Herausforderungen muss sich die deutsche Wirtschaft auf massive Änderungen einstellen. Die Bewältigung der unmittelbaren Kriegsauswirkungen, die strategische und resiliente Neuausrichtung von Lieferketten, Rohstoffen und Import-/Exportmärkten sowie die nachhaltige und digitale Transformation sollten den Finanzierungsbedarf der Wirtschaft kurz- bis mittelfristig nochmals deutlich in die Höhe treiben. Banken kommt in ihrer Funktion als Transmissionsriemen der Wirtschaft hierbei eine entscheidende, wenn nicht die zentrale Rolle zu. Um als Intermediär und Kreditgeber nicht unangemessen und womöglich unbeabsichtigt ausgebremst zu werden, müssen die Rahmenbedingungen für Banken insbesondere im Zusammenhang mit Eigen-kapitalvorgaben durch Regulierung und Aufsicht angemessen ausgestaltet sein.
Eine ausführliche Analyse zu diesen Punkten finden Sie im jüngsten Bericht des Bankenverbandes „Unternehmensfinanzierung AKTUELL“.
Bundesverband deutscher Banken e.V.
Burgstraße 28
10178 Berlin
Telefon: +49 (30) 1663-0
Telefax: +49 (30) 1663-1399
http://www.bankenverband.de/
E-Mail: bankenverband@bdb.de