Millionenförderung für intelligentes Tuberkulose-Screening

Der Europäische Forschungsrat fördert das Projekt „Find-TB“ von Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg mit einem Consolidator Grant in Höhe von rund zwei Millionen Euro. Die Infektionsforscherin entwickelt mit ihrem Team eine Prognose-App, die das individuelle Tuberkulose-Risiko errechnet und so einen gezielten Einsatz der aufwändigen Diagnostik erlaubt.

Weit mehr als der Hälfte der Kinder, die weltweit an Tuberkulose erkrankt sind, werden nicht als solche erkannt und behandelt – weil medizinische Expertise und diagnostische Mittel vor Ort nicht oder nur eingeschränkt vorhanden sind. Hier setzt das Projekt “Find-TB” von Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, Infektiologin an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, an, das der Europäische Forschungsrat (ERC) mit einem ERC Consolidator Grant in Höhe von rund zwei Millionen Euro über die kommenden fünf Jahre fördert. Das Team will eine App entwickeln, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz anhand von Patientendaten das individuelle Risiko für eine Tuberkulose-Infektion berechnet. Mit dieser Vorauswahl möchten sie sicherstellen, dass auch bei begrenzten diagnostischen Mitteln und Laborkapazitäten möglichst viele erkrankte Kinder gefunden und behandelt werden können.

Der Europäische Forschungsrat (ERC), der 2007 von der Europäischen Union gegründet wurde, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er fördert kreative Forscherinnen und Forscher aller Nationalitäten, die Projekte in ganz Europa durchführen. Mit den Consolidator Grants unterstützt der Europäische Forschungsrat herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darin, die eigene unabhängige Arbeitsgruppe zu konsolidieren und sich einen führenden Platz in ihrem Fachgebiet zu erarbeiten.

Tuberkulose (TB) ist vermeid-, behandel- und heilbar, trotzdem sterben jedes Jahr weltweit rund 1,4 Millionen Menschen daran. 250.000 davon sind Kinder unter fünf Jahren. Besonders in ärmeren Ländern Afrikas, Südostasiens und des Nahen Ostens ist die Erkrankung weit verbreitet. Eben dort hapert es allerdings besonders an der Diagnostik: Die Symptome wie Husten, Fieber und Atemnot sind nicht eindeutig, die Testmethoden teuer oder zu aufwändig, häufig fehlt die passende Laborausrüstung oder ein Stromanschluss vor Ort, zuverlässige Schnelltests gibt es derzeit noch nicht.

„Da die diagnostischen Mittel oftmals begrenzt sind, ist es wichtig, dass sie vor allem denjenigen Kindern zugutekommen, deren Risiko, sich infiziert zu haben, hoch ist. Dazu ist eine zuverlässige und vor allem von den Gesundheitsdiensten vor Ort leicht durchzuführende Vorauswahl nötig“, sagt Projektleiterin Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Infektiologie und Tropenmedizin am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Mit der nun erfolgten Förderung will sie mit ihrem Team ein digitales Triage-Werkzeug in Form einer Computer- oder Smart Phone-Anwendung entwickeln, die gleichzeitig Empfehlungen für das weitere Vorgehen geben kann.

Grundlage der App ist eine Künstliche Intelligenz (KI), die mit Hilfe vorhandener repräsentativer Gesundheitsdaten darin trainiert wird, ein erhöhtes Infektionsrisiko zu erkennen. Mittels innovativer datenwissenschaftlicher Methoden werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Vorhersagemodelle entwickeln. Das am besten geeignete werden sie in eine App für Gesundheitspersonal umsetzen und diese in einer Pilotstudie in Sambia und Vietnam auf ihre Zuverlässigkeit, Praxistauglichkeit und Kosteneffizienz testen.

Das soll die App leisten: Wird ein Kind mit Symptomen einer Atemwegsinfektion vorgestellt, trägt das Gesundheitspersonal in die Eingabemaske wichtige Schlüsselfaktoren wie Alter, Symptome, Ernährungsstand und einen möglichen Gewichtsverlust, relevante Begleiterkrankungen wie HIV, Kontakte zu TB-Erkrankten sowie Wohnsituation und -ort ein. Die KI gleicht die eingegebenen Werte mit epidemiologischen Daten der Region ab: Befindet sich etwa der Wohnort in einer Region mit besonders hohem Tuberkuloseaufkommen? Erhöht die Wohnsituation das Erkrankungsrisiko oder begünstigt der Allgemein- und Gesundheitszustand eine Infektion? Hieraus erkennt die KI, ob in diesem Zusammenhang die beobachteten Symptome kritisch zu bewerten sind und berechnet das individuelle Infektionsrisiko. Schließlich gibt die App eine Empfehlung für das weitere Vorgehen, z.B. die weitere diagnostische Abklärung. Wichtig ist den Forschern, dass die Anwendung intuitiv zu bedienen ist, die Eingaben möglichst schnell und einfach vorgenommen werden können und das Ergebnis einfach zu deuten ist. Die Anwenderfreundlichkeit wird während des Projekts mehrfach bewertet und verbessert.

„Wenn wir es schaffen, unsere Find-TB-App in die Anwendung zu bringen, wird sie die Diagnostik bei Kindern insbesondere in ressourcenschwachen Regionen deutlich verbessern, die Krankheitslast und Sterblichkeit verringern und dazu beizutragen, diese nach wie vor häufig tödliche Infektionskrankheit besser unter Kontrolle zu bringen“, so Dr. Denkinger.

Weitere Informationen im Internet

Sektion Infektions- und Tropenmedizin, Zentrum für Infektiologie am UKHD

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