Energiekrise und Transformation bremsen niedersächsische Industrie aus – Automobilzulieferindustrie erlebt „Operation am offenen Herzen“

Große Teile der niedersächsischen Industrie und hier insbesondere der Automobilzulieferindustrie befänden sich derzeit in einem tiefgreifenden Strukturwandel, der, bezogen auf die Autozulieferer, in den Auswirkungen durchaus mit dem Begriff „Strukturbruch“ treffend umschrieben sei. Diese Bilanz zog Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, am Freitag bei der Vorstellung der Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage unter 600 Industrieunternehmen. „Das, was wir derzeit erleben, ist keine Mini-Rezession und auch keine konjunkturelle Delle“, sagt Schmidt. „Es ist ein Strukturbruch, in dessen Folge wir uns auf Jahre an deutlich niedrigere Wachstumsraten, möglicherweise mit spürbarer Inflation werden gewöhnen müssen.“ Retardierende Effekte gehen vor allem von der Automobilindustrie aus, dem wirtschaftlichen Herz Niedersachsens. Über 60 Prozent der Beschäftigten der niedersächsischen Industrie arbeiten in der Automobilindustrie, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Zwei Drittel der industriellen Wertschöpfung Niedersachsens entstehen in der Autobranche.

Wie die aktuellen Zahlen der Umfrage zeigen, entwerten Transformation und hohe Energiekosten größere Teile des industriellen Anlagevermögens. Die mangelhafte Ertragslage – vier von zehn Automobilzulieferer erwarten 2023 rote Zahlen – dämpft die Investitionsneigung der Unternehmen empfindlich.

Transformation ist nicht zum Nulltarif zu haben

„Das Zusammenwirken von Transformation und Energiekostenkrise bewirkt, dass wir in der industriellen Kernbranche Niedersachsens derzeit so etwas wie eine ‚Operation am offenen Herzen‘ erleben“, sagt Schmidt. Die Zahlen aus der Umfrage machten deutlich, dass die Transformation nicht zum Nulltarif zu haben ist, sondern zunehmend auf Investitionen, Kapitalbildung und damit auf künftige Wertschöpfung durchschlage. Die Energiepreiskrise verschärfe die Entwicklung noch einmal.

60 % der Automobilzulieferer räumen der Umfrage zufolge ein, den Kostenanstieg durch die massiv gestiegenen Preise für Energie und Vorleistungen gar nicht oder nur stark eingeschränkt in den Preisen weitergeben zu können. Das habe mit fehlender Marktmacht und oft längerfristigen Lieferverträgen zu tun, die den Energiekostenanstieg kaum abbilden würden, so Schmidt. Problemverschärfend wirke außerdem, dass die Absatzmärkte in den vergangenen Jahren stark geschrumpft seien. „Hier macht sich natürlich auch die zunehmende Ausdünnung der Zahl der Verbrennerfahrzeuge im Angebot der Autohersteller bemerkbar“, so Schmidt. In der Folge fehlten Anschlussaufträge, Neu-Entwicklungen fänden nicht mehr statt und es werde insgesamt weniger in Deutschland produziert. „Es bleibt das Geheimnis der Politik, wenn von den Autozulieferern gebetsmühlenartig Investitionen in die Transformation hin zur Elektromobilität eingefordert werden, die Betriebe dies aber gar nicht leisten können, weil einerseits die Energiekosten gewaltig steigen, andererseits aber die Absatzmärkte deutlich schrumpfen. Wie bitte soll das funktionieren?“, fragt Schmidt. Aus einer Sandwich-Position aus wegbrechenden Umsätzen bei gleichzeitig stark steigenden Kosten könne kein Unternehmen große Klimmzüge bei den Investitionen machen.

Energiepreisbremse ist ein bürokratisches Monstrum geworden

Die von der Bundesregierung als deutliche Entlastung angekündigte Energiepreisbremse bleibe in weiten Teilen der Industrie wirkungslos, wie die Umfrage zeigt. Die Gewährung der Hilfen wurde an so viele Voraussetzungen geknüpft, dass in der Autozulieferbranche nicht einmal jedes zehnte Unternehmen (9 Prozent) davon ausgeht, von der Energiepreisbremse spürbar zu profitieren. „Die Energiepreisbremse ist, nachdem sie durch die Mühlen der Berliner Ministerialbürokratie gegangen ist, ein bürokratisches Monstrum geworden, das in der Ausgestaltung an den betrieblichen Realitäten vorbeigeht“, bilanziert Schmidt. „Die Energiepreisbremse der Bundesregierung entpuppt sich aus Sicht der Mehrzahl der Industriebetriebe als stumpfes Schwert.“

Zur jüngsten Mehrheitsentscheidung des Europäischen Parlaments, ab 2035 Neuzulassungen von Verbrennerfahrzeugen in der EU zu verbieten, erklärt Schmidt: “Auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments müssen zur Kenntnis nehmen, dass über 90 % des Weltautomobilmarktes technologieoffen aufgestellt sind.“ Selbst China setze neben der Batterie- und Wasserstofftechnologie langfristig auf die Optimierung der Verbrennertechnologie. Schmidt: „Weltweit wird intensiv an unterschiedlichen Technologien zur Reduktion von CO2 im Verkehr gearbeitet. Die weltgrößten Energiekonzerne werden sich in ihren massiven Anstrengungen, etwa preiswertes E-Fuel zu entwickeln, kaum davon beeindrucken lassen, dass 340 Abgeordnete des Europäischen Parlaments der Auffassung sind, sie könnten den Technologie-Wettbewerb für beendet erklären.“

Schmidt weist darauf hin, dass weltweit über 1,1 Mrd. Verbrennerfahrzeuge zugelassen seien und einen Riesenmarkt bildeten, der ständig wachse. „Hier die Nase vorn zu haben, rechtfertigt immense Investitionen. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis eine technologische Lösung marktgängig ist, die quasi aus dem Stand heraus den weltweiten Bestand an Fahrzeugen kostengünstig CO2-neutral stellen kann.“ Die Entscheidung des Europäischen Parlaments werde den weltweiten Wettbewerb nicht außer Kraft setzen. Sie berge aber das Risiko, dass Europa den technologischen Anschluss verliere und automobile Wertschöpfung in erheblichem Umfang woanders entstehe.

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