„NODIG ist die einzige akzeptable Methode“

Nachhaltigkeit, Smart Cities, Klimaschutz – der Bedarf an schonenden Verfahren für den Bau moderner Infrastrukturen ist heute größer denn je. Über das weltweite Potential für grabenlose Techninologie haben wir mit einem ausgewiesenen Experten und Kenner der Branche gesprochen. Jari Kaukonen war bis Oktober 2022 Vorsitzender der International Society for Trenchless Technology ISTT und ist Gründungsmitglied der finnischen Gesellschaft FISTT, die in diesem Jahr die Int. NODIG 2022 in Helsinki ausgerichtet hat.

Q: Mr. Kaukonen, wir sagen gerne, dass es heute keine Aufgabe mehr im Leitungsbau gibt, die nicht grabenlos gelöst werden kann. Stimmen Sie dem zu? Ist die NODIG-Technologie tatsächlich so weit?

A:  Ja, da stimme ich hundertprozentig zu. Ich bin 1982 bei der grabenlosen Technologie eingestiegen und habe danach die Entwicklung in diesem Bereich miterlebt. Damals drehte sich die Diskussion um die Kapazität bei der Sanierung alter Leitungen. Schon bald führten die Hersteller Methoden ein, die es ermöglichen sollten, sogar den Durchmesser des bestehenden Rohres zu vergrößern. Damals kamen aber auch andere Methoden auf den Markt, mit denen der Rohrdurchmesser fast unverändert blieb. In Finnland haben wir generell sehr hartes Gestein, was ein verständlicher Grund war, bei der Planung einer neuen Leitung auf Nodig zu verzichten. Inzwischen gibt es auch für hartes Gestein sehr gute Ausrüstungen. Das Wichtigste für die Netzeigner ist, einen qualifizierten Planer mit der Ausführung der Arbeiten zu beauftragen.

Q: Der Stand der Technik ist das eine, der tatsächliche Bedarf das andere. In welchen Bereichen ist der aus Ihrer Sicht am größten? Der Glasfaserausbau als Rückgrat der Digitalisierung liegt zum Beispiel nahe. Wo sehen Sie ähnlich großes Potential?

A:  Ja, der Glasfaserausbau zählte zu den Hauptgründen für das enorme Wachstum der HDD-Methode. Jemand hat mal gesagt, dass wir anstelle von Glasfaserkabeln zu jedem Haus das Mobilsystem nutzen können. Ich denke, es ist genau umgekehrt. Wenn wir das 5G-System bauen, muss das Glasfasernetz ausgebaut werden und das bedeutet mehr HDD-Aufträge für die Tiefbauunternehmer. In Zukunft wird weltweit der Bedarf an sauberem Trinkwasser steigen und es gibt weltweit noch viele Gegenden mit schlechter Wasserqualität haben. Das bedeutet nicht nur mehr, sondern auch längere Wasserleitungen, und ich hoffe, dass sich die grabenlose Bauweise bei der Verlegung der notwendigen Infrastruktur durchsetzen wird. Auch der Ausbau der Windenergie ist ein Thema, denn die Stromleitungen müssen ans Netz angebunden werden. In vielen Fällen handelt es sich um Gebiete, die weit von städtischen Ballungsräumen entfernt sind und deshalb bietet sich die grabenlose Technologie an, um die Natur bei der Leitungsverlegung nicht zu beeinträchtigen. Wenn wir den Verbrauch fossiler Energie reduzieren, müssen wir gleichzeitig neue Gasleitungen bauen. Was bedeutet es, wenn die Nordstream2-Gasleitung einsatzbereit ist? Wird sie dann in Betrieb sein, oder was geschieht aufgrund der Situation in der Ukraine? Könnte es sein, dass wir die Energieverteilung auch mit anderen Möglichkeiten sicherstellen müssen? Das könnte aber auch neue Möglichkeiten erzeugen.

Q:  Was ist mit weniger entwickelten Regionen und Ländern auf der Welt? Kann NODIG hier nicht sogar ein Schlüssel für bessere Lebensbedingungen sein? Man denke hier z.B. an die Wasserversorgung.

A: Auf jeden Fall, genau wie ich es zuvor beschrieben habe, nämlich die Verteilung in Gebieten, wo eine schlechte Wasserqualität das Hauptproblem ist. Aber wir haben auch viele Orte weltweit, wo kein ausreichendes Abwassersystem vorhanden ist. In vielen Gegenden gibt es einen Abwassertank ohne Boden und einen Brunnen, aus dem die Bewohner alle ihr Trinkwasser entnehmen. Viele Häuser sind eng beisammen, ohne tiefe Fundamente. Wenn wir grabenlose Methoden anwenden, können die Hausbesitzer ihre Häuser ohne Investitionen in das Fundament und ohne große Probleme im täglichen Leben weiter nutzen. Auf diese Weise bliebe uns viel Umweltzerstörung erspart. Von der GSTT gibt es viele ausgezeichnete Berechnungen über die Umweltkosten im Vergleich zwischen grabenlosen und offenen Bauweisen.

Q: Glauben Sie, dass die grabenlose Bauweise einmal die Regel und nicht mehr die Ausnahme beim Leitungsbau sein wird? Wenn ja, was spricht dafür?

A: Ja, das ist der Weg, den wir gehen müssen. Die finnische Straßenverwaltung (Väylä) hat bereits beschlossen, beim Bau von Rohren und Kabeln unter der Straße grabenlose Technik anzuwenden. Ich erwarte, dass immer mehr Infrastruktureigentümer dem Beispiel von Väylä folgen und Genehmigungen für den Bau neuer Leitungen in ihren eigenen Gebieten erteilen. Viele Behörden wissen nicht, welche Möglichkeiten wir für den grabenlosen Bau haben und ich sehe darin den Hauptgrund dafür, dass sie nicht einsehen, dass NODIG die einzige akzeptable Methode für die Rohrinstallationen ist.

Q: Wie tragen die Fachverbände dazu bei, der grabenlosen Technik mehr Akzeptanz und Bekanntheit bei der Auftraggeberseite und auch die breite Öffentlichkeit zu verschaffen?

A: Wie bereits erwähnt, ist das Wissen über die grabenlosen Möglichkeiten bei den Behörden, aber auch bei den Infrastruktureigentümern und allgemein den Planern unzureichend. Die nationalen Verbände, die gleichzeitig unsere Mitgliedsverbände sind, spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Informationen und ebenfalls bei der Teilnahme ihrer Mitglieder und anderer Personen an lokalen und internationalen Konferenzen und Ausstellungen. Dort gibt es hervorragende Möglichkeiten, mehr über die Anwendung grabenloser Methoden zu erfahren. Die angeschlossenen Gesellschaften müssen gute Beziehungen zu den Ministerien und Behörden haben, um die Möglichkeiten der grabenlosen Bauweise bekannt zu machen. Die besten Methoden zur Verbreitung der guten Nachrichten über die grabenlose Bauweise sind Konferenzen, Ausstellungen und Kurse, um Wissen über Verfahren usw. zu vermitteln. In Gebieten, in denen wir keine Mitgliedsverbände haben, können sich Menschen, die sich für diese Technologie interessieren, sich mit uns in Verbindung setzen, um Hilfe bei der Gründung eines eigenständigen Mitgliedsverbandes zu bekommen.

Q: Finnland und andere skandinavische Länder gelten als Vorbild für nachhaltige Entwicklung.  Das schließt den Verbreitungsgrad grabenloser Technik mit ein. Warum ist das so und was können andere Länder in dieser Hinsicht von den Skandinaviern lernen?

A: Ich sehe viele Gründe, die zu dieser Tatsache führen. Erstens haben wir immer nah genug an der Natur gelebt, um Veränderungen zu erkennen, wenn sie beschädigt wird. Wir haben jährlich vier unterschiedliche Jahreszeiten und können den Unterschied auch in der Natur spüren. Wir waren lange Zeit ein recht ländliches Land, in dem Landwirtschaft nicht so einfach war wie in den südlichen Ländern. Das bedeutet, dass wir unsere Ausrüstung passend für unser Klima entwickeln müssen und das bedeutet wiederum, dass wir gewöhnt sind, innovative Lösungen zu finden. Aus diesem Grund gibt es einige hochqualifizierte Unternehmen, die Equipment für die Sanierung von Rohrleitungen herstellen. Wir haben auch einen Winter, der mit dem in Mitteleuropa nicht vergleichbar ist und das bedeutet, dass wir neue Prozesse und Arbeitsmittel für Wärmeversorgung der Häuser in diesen Wetterbedingungen entwickeln müssen. Ich lade Sie herzlich ein, sich im nächsten Herbst in Helsinki von unserer Natur und den neuesten Innovationen zu überzeugen.

Q: Zum Abschluss wären ein paar Informationen zu Ihnen persönlich für die Leser sicher interessant. Sie sind seit gut 40 Jahren in der NOIDG-Branche tätig. In welchen Funktionen und was waren die Meilensteine auf Ihrem Weg?

A: Danke, dass Sie mich danach fragen. Ich habe die ersten Relining-Arbeiten 1982 in Finnland durchgeführt und bin seitdem in der grabenlosen Branche tätig. Zunächst als Auftragnehmer bis 2002, als ich mein Unternehmen an ein finnisches Bauunternehmen namens YIT verkaufte. Dort war ich bis 2006 als Auftragnehmer beschäftigt und wechselte dann als Berater im Bereich Infrastruktur zunächst zur FCG und dann zu WSP, wo ich 2019 in den Ruhestand ging. Meine Kunden wollten, dass ich danach für sie arbeite und daher habe ich mich wieder selbständig gemacht und werde auch weiterhin als Berater tätig sein. 1987 bin ich der ISST in London als Einzelmitglied beigetreten und bin seitdem Mitglied. 2014 wurde ich in den ISTT-Vorstand gewählt, 2016 zum stellvertretenden Vorsitzenden und 2018 sogar zum Vorsitzenden. Diese Position werde ich im Oktober 2022 im Rahmen der Int. NODIG in Helsinki nach der zweitlängsten Amtszeit in der Geschichte des ISTT aufgeben. Ich war Gründungsmitglied der finnischen Gesellschaft FiSTT im Jahr 1999 und von 1999 bis 2021 war ich dort Mitglied des Vorstands. Ich kann also sagen, dass mein Herz der grabenlosen Technik gehört.

Mr. Kaukonen. Herzlichen Dank das aufschlussreiche Gespräch!

Über die TRACTO-TECHNIK GmbH & Co. KG

TRACTO ist Mitbegründer, Gestalter und Innovator der grabenlosen Technik. Das Unternehmen mit Stammsitz in Lennestadt-Saalhausen entwickelt, produziert und vertreibt Maschinen und Zubehör für die unterirdische Verlegung und Erneuerung von Rohrleitungen. Diese ressourcenschonende und nachhaltige NoDig-Technik findet Anwendung beim Bau von Leitungs-Infrastrukturen für Wasser, Gas, Strom, Telekommunikation, E-Mobilität und Fernwärme, bei der Glasfaservernetzung, im Pipelinebau sowie in der Abwasserentsorgung. Die Kunden für diese innovativen Systeme kommen hauptsächlich aus dem Bereich Tiefbau und Spezialtiefbau, aber auch Versorger und Netzbetreiber zählen dazu. Seit der Gründung im Jahr 1962 hat TRACTO zahlreiche bahnbrechende NoDig-Lösungen entwickelt und ist heute der weltweit einzige Vollanbieter für grabenlose Technik. Das Unternehmen mit Repräsentanzen in ganz Deutschland und Schwesterfirmen in der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, Australien, Afrika und den USA hat weltweit rund 600 Mitarbeiter.

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