Experten/-innen erwarten weitere Inflationssteigerungen

Vom ZEW Mannheim befragte Finanzexpertinnen und -experten gehen davon aus, dass im Zeitraum 2022 bis 2024 die Inflationsrate im Euroraum das EZB-Inflationsziel von 2,0 Prozent deutlicher übersteigen wird, als noch im August 2022 angenommen. Die Entwicklungen von Energie- und Rohstoffpreisen sowie Löhnen im Euroraum führten bei den Experten erneut zu gestiegenen Inflationserwartungen. Das sind die Ergebnisse der Sonderfrage zum ZEW-Finanzmarkttest im November 2022. Darin äußerten die rund 190 Befragten ihre Einschätzung zu den Entwicklungen von Inflationsraten in der Eurozone für die Jahre 2022 bis 2024. Im November 2022 erwarten die Finanzmarktexpertinnen und -experten für die Jahre 2022, 2023 und 2024 im Median Inflationsraten von 8,5, 6,0 und 3,1 Prozent. Zwar gehen die Experten/-innen weiterhin davon aus, dass sich die Inflation bis Ende 2024 verlangsamt. Allerdings fallen die Inflationsprognosen deutlich höher aus als noch im August 2022, als das ZEW die Sonderfrage zur Inflation in der Eurozone zuletzt gestellt hatte. So wurden im August 2022 für die Jahre 2022 bis 2024 im Median noch Inflationsraten von 7,5, 4,5 bzw. 3,0 Prozent erwartet.

Die Mehrheit der Finanzmarktexpertinnen und Finanzmarktexperten begründet die höheren Inflationsprognosen im November 2022 mit den Entwicklungen der Energiepreise (rund 60 Prozent der Befragten geben dies an), den Entwicklungen der Löhne im Eurogebiet (rund 60 Prozent), dem Krieg in der Ukraine (rund 53 Prozent) und den Entwicklungen der Rohstoffpreise (ohne Energie, rund 52 Prozent). Wie in den vorherigen Umfragen bleibt die Entwicklung der Energiepreise der wichtigste Inflationstreiber. So geben knapp 37 Prozent der Befragten im November 2022 an, ihre Inflationsprognosen deswegen stark erhöht zu haben.
 Mit Blick auf die Inflationsentwicklung im Zeitraum 2022 bis 2024 bewerten die Finanzmarktexpertinnen und Finanzmarktexperten die Entwicklungen der EZB-Geldpolitik seit August 2022 recht unterschiedlich. Mit rund 37 Prozent gibt die relative Mehrheit der Befragten an, dass diese sich nicht auf ihre Inflationsprognosen ausgewirkt haben. Nach Einschätzungen von weiteren rund 26 Prozent der Befragten trägt die Geldpolitik der EZB selbst zur Inflation bei, wird also als noch zu expansiv bewertet. Die verbleibenden 33 Prozent der Befragten geben an, ihre Inflationsprognosen aufgrund der EZB-Geldpolitik-Entwicklungen nach unten korrigiert zu haben.

Über die Befragung
Der ZEW-Finanzmarkttest ist eine seit Dezember 1991 durchgeführte Umfrage, in der monatlich die Erwartungen über die Entwicklung wichtiger internationaler Volkswirtschaften erhoben werden. Derzeit sind dies Deutschland, das Eurogebiet, die Vereinigten Staaten von Amerika sowie China. Insgesamt besteht das Panel aus etwa 350 Finanzanalysten aus Banken, Versicherungen und großen Industrieunternehmen. Angesprochen werden die Experten/-innen der Finanz-, Research- und volkswirtschaftlichen Abteilungen sowie der Anlage- und Wertpapierabteilungen dieser Unternehmen. Die meisten Teilnehmer/innen kommen aus Deutschland.
 Die Finanzexpertinnen und -experten werden nach ihren Erwartungen gefragt, die sie auf einen Horizont von 6 Monaten hinsichtlich der Entwicklung der Konjunktur, der Inflationsrate, der kurz- und langfristigen Zinsen, der Aktienkurse und der Wechselkurse haben. Zusätzlich werden sie um eine Einschätzung der Ertragslage in 13 deutschen Branchen gebeten. Neben einem festen Umfrageteil werden laufend zu aktuellen Themen Sonderumfragen durchgeführt. Aus den Erwartungen der Finanzmarktexperten/-innen zur Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland werden die ZEW-Konjunkturerwartungen berechnet, die sich als Frühindikator für die Konjunkturentwicklung („ZEW-Index“) etabliert haben. Das ZEW kommuniziert die Ergebnisse des Finanzmarkttests darüber hinaus ausführlich im monatlich erscheinenden ZEW-Finanzmarktreport.

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

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