Überlebenskampf aus dem Nichts: Wenn sich das Leben mit 19 schlagartig ändert

Maresa Beernink dachte bei Fieber und Gliederschmerzen erst an eine Grippe, doch ihr Zustand verschlechterte sich rapide. Am Ende ist sie dem Tod mehrfach von der Schippe gesprungen, wie sie selbst sagt. Nach einer Verlegung ans UKM und Dank der anschließenden Diagnose und Therapie der seltenen Erkrankung Granulomatose kann sie nun ein weitgehend normales Leben führen – und möchte andere dafür sensibilisieren, dass es nicht selbstverständlich ist, gesund zu sein.

Zwischen dem Leben einer gesunden jungen Frau, die nach bestandener Eignungsprüfung eine Zusage für ihre Polizeiausbildung erhält, und einer Sepsis und Lungenversagen liegen nur wenige Wochen. „Das Leben hat sich für mich schlagartig geändert, das alles geschah aus dem Nichts heraus“, sagt die heute 21 Jahre alte Maresa Beernink bei einem Kontrolltermin am UKM (Universitätsklinikum Münster). Sicher ist die Geschichte der Nordhornerin keine alltägliche; dass sie zwei Jahre nach ihrem Schicksalsschlag noch lebt, keine Selbstverständlichkeit.

Alles begann im März 2019. „Ich hatte erst hohes Fieber und Gliederschmerzen, Symptome wie bei einer Grippe, und wurde vom Arzt immer wieder nach Hause geschickt“, erzählt Maresa. „Aber dann habe ich plötzlich nachts Blut gehustet und wurde ins Krankenhaus eingewiesen.“ Diagnostiziert wurde eine Lungenentzündung, verschiedenste Antibiotika schlugen jedoch nicht an. Nach fünf Tagen kam die junge Frau auf die Intensivstation. „Ich hatte schweres Lungenversagen und zusätzlich eine Sepsis – viele Leute überleben nicht mal eins davon.“ Mit einem Intensivtransport wurde sie dann ins UKM gebracht und dort an die ECMO, ein Lungenersatzverfahren, angeschlossen. Notwendig war auch ein Luftröhrenschnitt, die Narbe ist heute deutlich an ihrem Hals zu sehen. „Außerdem erhielt ich in Münster endlich eine Diagnose, die meinen plötzlichen Kampf um Leben und Tod erklärte“, erzählt Maresa. Der Auslöser: Granulomatose mit Polyangiitis, eine seltene Erkrankung, etwa 5 von 100.000 Menschen sind in Deutschland davon betroffen. „Granulomatose ist eine sogenannte Vaskulitis, eine Entzündung vor allem der kleinen und mittleren Gefäße im Körper, die überall in den Organen, insbesondere in der Lunge und Niere zu finden sind, und das sind auch die beiden Organe, die besonders betroffen sind“, erklärt Prof. Martin Kriegel, Leiter der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie in der Medizinischen Klinik D am UKM, die überschießende Immunreaktion. Nach einer Chemotherapie, die notwendig war, um das Immunsystem zu supprimieren, bis sich die Akuterkrankung beruhigt hatte, konnte Maresa nach zwei Monaten endlich nach Hause entlassen werden.

Tatsächlich äußert sich Granulomatose zu Beginn meist mit unspezifischen Symptomen der oberen Atemwege, Nasennebenhöhlen oder Entzündungen der Nasenschleimhaut, die sich durch Nasenbluten oder eine verkrustete Nase äußern. „Häufig ist es – genau wie bei der Patientin – blutiger Husten, der Betroffene dann im Krankenhaus vorstellig werden lässt“, erklärt Kriegel. Anders als noch vor einigen Jahrzehnten, als Granulomatose tödlicher war als viele Krebsarten, ist die Erkrankung mittlerweile dank der Forschung des US-amerikanischen Immunologen Anthony Fauci, der aktuell vielen als Stimme der USA in der Corona-Pandemie bekannt ist, gut behandelbar. Neben Medikamenten, um das Immunsystem in Schach zu halten, sind regelmäßige Kontrollen, aber auch eine eigene Sensibilität für mögliche Vorboten eines nächsten Schubes wichtig. „Neben unspezifischen, sogenannten B-Symptomen wie Fieber und Nachtschweiß, müssen Betroffene spätestens bei Alarmzeichen wie blutig verfärbtem Urin oder Atemnot, die die Niere oder Lunge betreffen, einen Arzt aufsuchen“, erklärt Martin Kriegel.

Mit einer ständigen Angst vor dem nächsten Schub lebt Maresa dennoch nicht. „Das würde mich kaputt machen!“ Ihr Schicksalsschlag hat aber ihre Sichtweise auf das Leben verändert. „Es ist nicht selbstverständlich, gesund zu sein, und es gibt so viele Menschen, die krank sind. Mir sieht man es zum Beispiel gar nicht an und das ist bei vielen anderen auch so – und ich finde es wichtig, darauf aufmerksam zu machen.“ Durch das Erlebte hat sie mittlerweile auch eine Alternative für die geplatzte Laufbahn bei der Polizei gefunden: Die 21-Jährige studiert nun Soziale Arbeit in Münster. Und sie engagiert sich in der Hospizarbeit.

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