Ein zerbrechlicher Arbeitsmarkt

• Das Thema Inflation dominiert die Marktdiskussionen. Ungeachtet dessen, dass Inflation und Inflationsangst in der Debatte um die Richtung der langfristigen Zinsen wichtig sind, verdienen andere Faktoren mehr Aufmerksamkeit. Denken wir für einen Moment über den Zustand der Arbeitsmärkte in der Eurozone nach. Deren Genesung wird die Reaktionsfunktion der Zentralbanken bei der Festlegung der Leitzinsen, der Finanzierungsbedingungen für Banken und der Dauer und Intensität der Ankäufe von Vermögenswerten beeinflussen. Die aktuellen Anzeichen deuten auf einen mühsamen Weg für die Beschäftigung hin. Das nachfolgende Szenario entfaltet sich auch in den USA und Großbritannien, allerdings in einer Weise, die als noch aggressiver bezeichnet werden kann.

• Die Auswirkung der Pandemie auf die Arbeitslosigkeit in der Eurozone zeigt ein falsches, weil zu positives Bild. Die Arbeitslosigkeit stieg von 7,2% im Februar auf 8,7 % im Juli 2020. Bis zum 4. Quartal 2020 erholte sich die Arbeitslosenquote in Richtung 8,3 %. Unmittelbar nach der Großen Finanzkrise (GFC) von 2008/2009 stieg die Arbeitslosigkeit in der Eurozone in Richtung 10 %. In den Jahren 2011/2012 fiel die Eurozone der Schuldenkrise zum Opfer und die Arbeitslosigkeit stieg auf einen Höchststand von 12 %. Die Erholung zwischen 2013 und 2019 war spektakulär und drückte die Arbeitslosigkeit auf 7,2% Ende 2019. In diesen fetten Jahren wuchs die Gesamterwerbsbevölkerung um etwa 9 Millionen. Die Coronakrise hat mehr als die Hälfte dieses Anstiegs im 2. Quartal 2020 zunichte gemacht, die Erwerbsbevölkerung schrumpfte um mehr als 5 Millionen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Richtung 8,7 % zum Ende des 2. Quartals 2020 wurde dank der von den Regierungen aufgelegten Programme zur Arbeitsplatzerhaltung in Form von Kurzarbeit oder vorübergehender Entlassungen gedämpft. Die Erwerbsbevölkerung erholte sich im 3. Quartal 2020 solide, bleibt aber deutlich unter dem Niveau von Ende 2019. Im April 2020 entfielen Maßnahmen zur Arbeitsplatzerhaltung (hauptsächlich Kurzarbeit) auf 15 % der deutschen Erwerbsbevölkerung – in Frankreich waren es 35 %, in Italien 30 % und in Spanien 21 %. Diese Zahlen gingen im 3. Quartal zurück, werden aber voraussichtlich wieder in Richtung eines höheren Niveaus ansteigen, da die Lockdowns in den letzten Wochen verstärkt wurden. In der Zeit nach der GFC lagen diese Zahlen nie über 3,2%. Solche Maßnahmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen helfen, die Arbeitslosigkeit kurzfristig stabil zu halten, erfordern aber eine intelligente Ausgestaltung, die unerwünschte Effekte begrenzt. Sie reduzieren den Liquiditätsbedarf der Unternehmen und erlauben ihnen, ihre Aktivitäten nach der Aufhebung der Lockdowns wieder aufzunehmen. Die Arbeitsverträge bleiben intakt. Aber Arbeitsplatzerhaltungsprogramme führen zu Mitnahmeverlusten (Subventionierung von Arbeitsplätzen, die nicht gefährdet sind) sowie zu Verdrängungseffekten (Subventionierung unrentabler Arbeitsplätze). Diese können die langfristige Effizienz von Volkswirtschaften verringern, wenn sie zu lange angewendet werden, da sie notwendige wirtschaftliche Umstrukturierungen blockieren.

• Neueinstellungen und Stellenausschreibungen bleiben auf einem niedrigen Niveau. Diese Indikatoren verheißen nichts Gutes für junge Fachkräfte, die zum ersten Mal in den Arbeitsmarkt eintreten. Da die Digitalisierung im vergangenen Jahr einen aggressiven Sprung gemacht hat, stellen wir auch die Zukunft von Zeitarbeitern und Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau in Frage.

• Die EZB betont, die offiziellen Arbeitsmarktstatistiken mit Vorsicht zu interpretieren. Maßnahmen zur Arbeitsplatzerhaltung helfen zwar, einen Anstieg der Arbeitslosigkeit oder einen stärkeren Rückgang der Beschäftigung einzudämmen. Es bleibe jedoch unklar, wie viele dieser Arbeitnehmer erfolgreich zu ihrer normalen Arbeitszeit zurückkehren werden und wie viele möglicherweise Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Der starke Rückgang der Erwerbsbeteiligung deute darauf hin, dass die Flaute auf dem Arbeitsmarkt wesentlich größer ist, als sie von der Arbeitslosenquote erfasst wird. Die Krise werde wahrscheinlich zu einem erhöhten Bedarf an Reallokation von Arbeitskräften führen, und dieser sei voraussichtlich umso größer, je länger die Pandemie andauert. Effektiv könnte eine höhere strukturelle Arbeitslosigkeit zu unserem schlimmsten Alptraum werden, da ein größeres Missverhältnis zwischen den Qualifikationen und die Streuung der Arbeitslosigkeit über verschiedene Regionen zu einem Anstieg der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit führt. Wenn also die Impfprogramme erfolgreich verlaufen und die Wirtschaft der Eurozone im dritten Quartal 2021 wiedereröffnet, könnte die Arbeitslosenquote ansteigen, da die Unterstützung des Arbeitsmarktes durch die nationalen Regierungen und die EU (SUREProgramm) nachlässt. Rechnen Sie mit einer zweiten Arbeitslosenwelle in der Eurozone Ende 2021 und im Laufe des Jahres 2022.

Bewertungen

• An den US-Treasury-Märkten kehrte in der vergangenen Woche wieder etwas Ruhe ein. Die Renditekurve flachte sich leicht ab. Während die 2-Jahres-Renditen unverändert bei 0,13% lagen, fielen die 10-Jahres-Renditen um 3 Basispunkte und schlossen bei 1,08%. Die 30-Jahres-Renditen schlossen bei 1,83% und gaben damit 4 Basispunkte ab. Die Nachfrage nach US-TIPS war robust, besonders im 2-Jahres-Bereich. US-Linker mit Laufzeit bis Juli 2023 schlossen bei -2,12%, einem historischen Tiefstand. Die Marktteilnehmer erwarten, dass der Höchststand des Verbraucherpreisindex (CPI) im Zeitraum 2021/2022 eintreten wird. Längerfristig rechnet der Markt mit einer US-Inflation von knapp über 2 %. Die Auktion für 30-jährige US-Staatsanleihen am vergangenen Donnerstag war sehr erfolgreich. 24 Mrd. USD wurden zu einer Rendite von 1,825 % abgenommen, 1,4 Basispunkte unter dem Handelsniveau vor Ablauf der Bietungsfrist. Die Kerninflationsrate für Dezember, die wie erwartet bei + 1,6% lag, drückte auf die Renditen. Angesichts der für Mittwoch, den 27. Januar angesetzten FED-Sitzung, der Unsicherheit im Rahmen der Amtseinführung Bidens, des sich anbahnenden Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump und einer Woche vieler Gewinnveröffentlichungen und -erwartungen für das vierte Quartal 2020 finden wir nicht viele Argumente für einen Aufwärtsdruck auf die US-Renditen in den nächsten Wochen.

• Im Bereich der EUR-Staatsanleihen war die vergangene Woche zweigeteilt. Zu Beginn der Woche versuchten 10-jährige deutsche Bundesanleihen, wieder in den alten Bereich von -30 bis -50 Basispunkten vorzudringen, doch die Marktteilnehmer erhielten eine kalte Dusche, da sich in Italien erneut ein politisches Drama abspielte. Gerade als sich die meisten Anleger auf die Geschwindigkeit und Länge der Impfprogramme konzentrierten, zog sich die Partei von Matteo Renzi aus dem Kabinett von Ministerpräsident Conte zurück. Dieser Schritt beraubte Conte einer funktionierenden Mehrheit und setzte seine Regierung einer hohen Unsicherheit aus, die im besten Fall Tage, im schlimmsten Fall Wochen dauern könnte. Darüber hinaus hat das Kabinett Conte am Donnerstagabend eine Erhöhung der Schulden um 32 Milliarden Euro beschlossen. Das sind rund 30% mehr, als Finanzminister Gualtieri am Wochenende zuvor vorgeschlagen hatte. Deutsche 10-jährige Bundesanleihen schlossen bei -54 Basispunkten. Der Spread zwischen 10-jährigen deutschen und italienischen Staatsanleihen stieg um 10 Basispunkte und schloss bei 115 Basispunkten. Das ist nicht übertrieben, erinnert aber an weniger positive Episoden in der Geschichte italienischer Staatsanleihen. Wir erwarten wenig Ansteckung anderer Märkte.

• Europäischen Investment Grade- (IG) und High Yield (HY)- Unternehmensanleihen gefiel der Anstieg der Unsicherheit nicht. Die Spreads sackten ab, und IG-Unternehmensanleihen verzeichneten einen kleinen Performanceverlust von 7 Basispunkten gegenüber -20 Basispunkten bei europäischen Hochzinspapieren. Die Primärmärkte öffnen sich wieder, und zwar zuversichtlich. Die Zentralbanken stellen derweil sicher, dass sie ihre Rolle als „Liquiditätsversorger der letzten Instanz“ unbeeinträchtigt spielen können.

• Schwellenländeranleihen erholten sich nach einem schwachen Jahresstart dank der Stabilisierung der US-Zinsen und des US-Dollars. Die Wertentwicklung lokaler Schuldtitel blieb in USD unverändert, während sie in EUR dank eines niedrigeren Euro/Dollar-Kurses um 1 % zulegten.

• Der JP Morgan-Index für Schwellenländerwährungen war gegenüber dem USD leicht negativ (-0,20%), während der Index für Schwellenländer-Staatsanleihen aufgrund einer Ausweitung der Spreads der HY-Index-Komponente um -0,50% (in USD) rentierte. Was die Zuflüsse betrifft, so zogen Emerging Markets-Debt-Fonds weiterhin Interesse auf sich. Lokalwährungsfonds verzeichneten nach EPFR-Daten Zuflüsse in Höhe von 1,35 Mrd. USD und Hartwährungsfonds in Höhe von 699 Mio. USD.

• In der Zwischenzeit behielt das Neuangebot von staatlichen Emittenten seine hohe Dynamik mit mehr als 11 Mrd. USD. Länder mit HY-Rating leisteten einen großen Beitrag: Benin emittierte 1 Mrd. EUR, die Dominikanische Republik 2,5 Mrd. USD und Oman 3,25 Mrd. USD. Die Emissionen stießen auf großes Interesse, Anleger scheuten sich nicht, einige der erst in 20 und 30 Jahren fälligen Emissionen zu kaufen.

• Als Reaktion auf den COVID-Ausbruch verhängte Malaysias König den Ausnahmezustand und setzt damit das Parlament bis zum 1. August aus, um dem politisch herausgeforderten Premierminister Muhyiddin Yassin die Möglichkeit zu geben, kurzfristig eine Wahl zu vermeiden. Während die COVID-Auswirkungen die Wachstumserwartungen wahrscheinlich negativ beeinflussen, verstärkt die Pandemie die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der Bank Negara Malaysia in der nächsten Woche.

• Der lokale ghanaische Markt war der Hotspot der Woche, da Investoren sich auf diese Staatspapiere stürzten, angelockt durch eine der höchsten realen Renditen der Welt von etwa 18% für eine Laufzeit von 3 Jahren. Der ghanaische Cedi hat sich im Jahr 2020 gut gehalten (-3,10% vs. USD), das meiste politische Risiko liegt mit der Wiederwahl von Präsident Akufo-Addo hinter uns. Außerdem erwarten die meisten Investoren, dass die Regierung im ersten Quartal eine größere Emission auf dem Eurobond-Markt begeben wird, was die Devisenreserven des Landes wieder auffüllen und der Bank of Ghana mehr Spielraum bei der Steuerung ihrer Währung geben sollte.

• Zu guter Letzt senkte Rumänien unerwartet die Zinssätze auf ein Rekordtief von 1,25%, um seine Wirtschaft anzukurbeln, ein Schritt, der durch die nachlassende Inflation im fünften Monat in Folge ermöglicht wurde. Rumänien steht auch vor der Herausforderung, sein IG-Rating zu behalten. Die neue Regierung hat versprochen, das Haushaltsdefizit von 9% im letzten Jahr auf 3% bis 2024 zu senken.

Fazit

• Die Arbeitsmärkte auf der ganzen Welt sind tief erschüttert. Arbeitsmarktindikatoren sind nachlaufende Wirtschaftsindikatoren und verdienen während der Erholungsphase mehr Aufmerksamkeit. Die Pandemie könnte größere und strukturellere Probleme auf dem Arbeitsmarkt aufgedeckt haben als der Konsens glaubt.

• Qualifikationsdefizite, das Auslaufen staatlicher Unterstützungsprogramme und Initiativen der Unternehmen zur Kostenkontrolle könnten zu ungewollten Entscheidungen und größerer Unzufriedenheit in der breiten Öffentlichkeit führen.

• Das Regime der geld- und fiskalpolitischen Zusammenarbeit sollte die „Genesung des Arbeitsmarktes“ zu einer seiner obersten Prioritäten machen. Dafür wird es Zeit brauchen … viel Zeit.

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