Schmerzen bei Rheuma: Immer mehr Patienten nehmen Opioide ein

Fentanyl, Tramadol oder Tilidin: Neue europäische Zahlen zeigen, dass auch in Europa immer mehr Menschen Opioide gegen ihre Rheumaschmerzen einnehmen. Eine aktuelle Auswertung aus Katalonien/Spanien zeigt eindrücklich, dass der Verbrauch an Opioiden bei Patienten mit Osteoarthritis (OA/Arthrose) in den Jahren 2007 bis 2016 von 15 auf 25 Prozent aller erfassten Patienten gestiegen ist (1). Die Erhebung basiert auf den Gesundheitsdaten (SIDIAP, System for the Development of Research in Primary Care) von 80 Prozent der Bevölkerung des spanischen Autonomiegebiets – das sind etwa sechs Millionen Patienten. Die europäische Rheumaliga EULAR (The European League Against Rheumatism) weist im Rahmen ihres derzeit laufenden Jahreskongresses European E-Congress of Rheumatology 2020auf die wachsende Gefahr eines Opioid-Missbrauchs in Europa hin und fordert Maßnahmen für einen sichereren Umgang mit diesen Schmerzmitteln. Der EULAR 2020 findet ab dem 3. Juni 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie als eKongress statt.

Opioide sind starke Schmerzmittel. Rund 70 Prozent der Opioide werden in Deutschland für Patienten mit chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen verordnet. Laut Leitlinien (2) können sie unter anderem bei chronischen Osteoarthritis-(Arthrose-)schmerzen für eine vier- bis zwölfwöchige Therapie zum Einsatz kommen. „Für diese Indikation gibt es eine ausreichende wissenschaftliche Datengrundlage zur Wirksamkeit und Sicherheit“, sagt Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, ehemaliger Vorsitzender des EULAR Ausschusses Clinical Affairs und Ärztlicher Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim. Doch dann sollte Schluss mit der Einnahme sein. Denn die Schmerzhemmer haben starke Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, chronische Verstopfung aber auch Schwindel und Müdigkeit. Ihre größte Gefahr liegt jedoch in ihren zentralnervösen, manchmal stimmungsaufhellenden, manchmal „egalisierenden“ Wirkungen. „Dies macht ihr starkes Suchtpotenzial aus: Für die meisten Patienten ist der psychische Entzug deshalb am schwersten“, so Müller-Ladner, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).

Ein besonderes Risiko für eine Gewöhnung/Abhängigkeit an Opioide haben in der Katalonien-Studie Frauen (vier Prozent mehr Betroffene als Männer), Ältere (zehn Prozent mehr als Jüngere) und sozial Benachteiligte (Differenz von sechs Prozent gegenüber der privilegiertesten Bevölkerungsgruppe). Ebenso nehmen ein Prozent mehr Land- als Stadtbewohner Opioide ein. Junqing Xie von der University of Oxford und Erstautor der Studie stellt fest: „Die Einnahme von Opioiden – insbesondere von starken Opioiden – ist in den letzten Jahren bei neu an Osteoarthritis erkrankten Patienten substanziell gestiegen“. Es müssten dringend Vorkehrungen für eine sichere Verschreibung dieser Medikamente getroffen werden. Dies gelte vor allem für ältere Frauen, die unter schwierigen sozialen Bedingungen leben.

Darüber hinaus zeigt eine aktuelle Studie aus Island (3), dass Opioide auch nach Behebung der Schmerzursachen häufig nicht abgesetzt, sondern ihr Verbrauch eher noch gesteigert werde. So ist bei Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen die Dosis ihrer Opioide selbst nach der Behandlung mit präzise wirksamen Entzündungshemmern wie TNF-Inhibitoren eher gesteigert worden, anstatt sie abzusetzen. „„Es gibt dringenden Handlungsbedarf“, so EULAR-Präsident Professor Iain McInnes aus Glasgow, UK. Die Opioid-Sucht habe sich mittlerweile zu einem bedeutenden Problem entwickelt.

Das Risiko einer körperlichen und seelischen Suchtentwicklung ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Opioiden jedoch gering. „Deshalb möchten wir das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang sowohl auf der Seite der Verschreiber als auch der Einnehmenden schärfen“, sagt Professor John Isaacs von der Universität Newcastle, UK, der den wissenschaftlichen Vorsitz des EULAR innehat. „Um chronische Schmerzen zu lindern, sollten Medikamente ohnehin nur Teil eines umfassenden Therapieprogramms sein, in dem Ärzte, Psychologen und Physiotherapeuten zusammenarbeiten.“ Verordnen Ärzte ausnahmsweise doch Opioide, sollte der Behandlungsversuch rasch enden, wenn er sich als wirkungslos erweist oder die Wirkung nachlässt.

Quellen:

(1) https://www.awmf.org/…: Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS), Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. [Long-Term Use of Opioids for Chronic Non-Tumour Associated Pains (LONTP), German Pain Society]

(2) (2) EULAR Abstract No. 3070: Temporal trends of opioid use among incident osteoarthritis patients in Catalonia, 2007-2016: a population-based cohort study, Xie et al., DOI 10.1136/annrheumdis-2020-eular.3070

(3) EULAR Abstract No.: 2587: Initiating TNF inhibitors in inflammatory arthritis does not decrease the average opioid analgesic consumption. Olafur Palsson et al. DOI: 10.1136/annrheumdis-2020-eular.2587

Über European League Against Rheumatism (EULAR)

Der europäische Rheumatologenkongress EULAR 2020 (European E-Congress of Rheumatology 2020) ist der Dachkongress der nationalen europäischen Rheumaverbände. Der bedeutendste Kongress dieser Fachrichtung richtet sich an alle mit dieser Krankheit Befasste: Ärzte, Forscher, Fachpersonal bis hin zu Patientenorganisationen und die Industrie. Ursprünglich war die Veranstaltung vom 3. bis 6. Juni 2020 in Frankfurt am Main geplant. Aufgrund der COVID-19-Pandemie findet der Europäische Rheumatologenkongress EULAR 2020 ab dem 3. Juni 2020 jetzt als virtueller Kongress statt. Die Inhalte sind online bis zum 1. September 2020 abrufbar.

Veranstalter ist die europäische Gesellschaft für Rheumatologie (The European League Against Rheumatism, EULAR). EULAR ist eine gemeinnützige wissenschaftliche Organisation mit Sitz in Zürich, die wissenschaftliche Fachgesellschaften, Gesellschaften anderer Gesundheitsberufe, Berufsverbände und Organisationen für Menschen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen (RMDs) vertritt. Ziel der EULAR ist es, die Belastung des Einzelnen und der Gesellschaft durch RMDs zu verringern und die Behandlung, Prävention und Rehabilitation von RMDs zu verbessern.

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