Trotz bezahlter Beiträge für die Betriebsschließungsversicherung wollen Versicherer nicht zahlen

Mit einer Betriebsschließungsversicherung wollen sich Unternehmer für den Ernstfall absichern. Die Corona-Pandemie ist der Ernstfall. Doch jetzt wollen Versicherer nicht zahlen. Ecovis-Rechtsanwältin Heidi Regenfelder in München erklärt, warum sich Betroffene wehren sollten und wie sie zu ihrem Recht kommen.

Am 23. März 2020 mussten Hotels und Gastronomiebetriebe schließen. Das hatten die Bundesländer auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes angeordnet. Doch die Kosten für Strom, Personal oder Pacht liefen weiter. Da greift, so dachten die Gastronomen, ihre Versicherung. Doch weit gefehlt. „Zahlreiche Versicherer lehnen Leistungen an ihre Vertragspartner ab“, sagt Ecovis-Rechtsanwältin Heidi Regenfelder in München.

Warum Versicherungen nicht zahlen wollen

Die Versicherer meinen, dass Betriebsschließungsversicherungen bei einer behördlich angeordneten Schließung nicht greifen. Die Begründung:

  • Die Schließung wegen Covid-19 ist eine nicht versicherte Präventionsmaßnahme.
  • Das neuartige Corona-Virus fällt nicht unter die meldepflichtigen Krankheiten der Betriebsschließungsversicherung.
  • Die Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe sind nicht völlig geschlossen, weil sie ja Speisen und Getränke verkaufen dürfen.

Diese Sichtweise sorgte bei Versicherungskunden und -maklern für massive Empörung. Anfang April gab es einen Deal zwischen dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), dem Bayerischen Wirtschaftsministerium und der Versicherungswirtschaft. Verkauft wurde der Deal als „Bayerische Lösung“. „Das fürchterliche an diesem Deal ist, dass viele Versicherer ihn tatsächlich bundesweit so anwenden“, sagt Rechtsanwältin Regenfelder. Zu den Versicherungen, die die Bayerische Lösung mittragen, gehören laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die Allianz, Gothaer, Haftpflichtkasse VVAG, Nürnberger Versicherung, Signal-Iduna, Versicherungskammer Bayern, Zurich Gruppe Deutschland und die HDI Versicherung AG.

Was genau „gedealt“ oder in der Bayerischen Lösung vereinbart wurde

Die Versicherungen sollen freiwillig zehn bis 15 Prozent der im Versicherungsvertrag vereinbarten Tageshöchstentschädigung ohne Prüfung an die Geschädigten für maximal 30 Tage zahlen. Auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen wie Kurzarbeitergeld oder Soforthilfen soll die kleine Finanzspritze nicht angerecht werden, außer die Versicherten nehmen Versicherungsleistungen außerhalb dieser Bayerischen Lösung in Anspruch. Dann besteht das Risiko, dass staatliche Leistungen angerechnet werden. „Für die meisten Gastronomen deckt diese Ersatzleistung allerdings nur einen Bruchteil ihrer Einbußen ab. Dieser Deal ist ein fauler Kompromiss, der nur den Versicherungen zugutekommt“, sagt Regenfelder.

Jeder Einzelfall ist genau zu prüfen

Der in Bayern geschlossene Deal zwischen Versicherern, Dehoga und Wirtschaftsministerium ist für Unternehmer nicht verbindlich. Für die beteiligten Versicherer handelt es sich aber um eine Untergrenze, von der sie nicht abweichen können. „Betriebe können jedoch frei entscheiden, ob sie das Angebot annehmen oder ihre Ansprüche aus ihrem Versicherungsvertrag durchsetzen wollen“, sagt Rechtsanwältin Regenfelder. Sie rät Unternehmern, die ihre vollen Ansprüche geltend machen wollen, dass sie schnellstmöglich den Schadensfall ihrer Versicherung melden, „denn Versicherer haften normalerweise nur für zwölf Monate ab Beginn der Betriebsunterbrechung.“ Dazu gehört eine detaillierte Aufstellung des entstandenen Schadens, inklusive der fortlaufenden Kosten, wie Lohn- und Stromkosten.

Ganz egal, wofür sich Betroffene entscheiden: „Unternehmer sollten sich genau überlegen, ob sie wirklich dieses Angebot annehmen“, warnt die Ecovis-Expertin und ergänzt „Verändert das Angebot den bestehenden Versicherungsschutz oder hebt ihn sogar auf, dann sollten die Versicherungsnehmer die Finger davon lassen!“

Wann sich die Auseinandersetzung mit der Versicherung lohnt

Wer wissen will, ob sich die Auseinandersetzung mit seinem Versicherer lohnt, sollte die Versicherungsbedingungen ganz genau lesen und ins Kleingedruckte schauen. Denn es gibt einige Kriterien, die für die Bewertung der rechtlichen Erfolgsaussichten wichtig sind.

  • Sind in dem konkreten Versicherungsvertrag nur Betriebsschließungen infolge namentlich genannter meldepflichtiger Krankheiten versichert oder Betriebsschließungen infolge aller meldepflichtigen Krankheiten im Sinne des Infektionsschutzgesetzes in seiner jeweils aktuellen Fassung? Die Verordnung vom 1. Februar 2020 sagt, dass der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod nach einer Infektion mit Covid-19 ausdrücklich meldepflichtig sind.
  • Sind nur vollständige Betriebsschließungen oder auch Betriebsbeschränkungen versichert?
  • Sind Ausschlüsse vereinbart, die die Deckung infrage stellen? Hier wäre zu prüfen, ob beispielsweise eine generalpräventive, also allgemeine Betriebsschließung, ausdrücklich im Kleingedruckten ausgeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, sind derartige Fälle grundsätzlich mitversichert und es sind 100 Prozent der vereinbarten Tagessätze auszuzahlen.
  • Wurde eine Pandemiedeckung vereinbart oder Seuchen und/oder Infektionskrankheiten ausdrücklich als versichertes Risiko benannt?

„Wie immer in rechtlichen Angelegenheiten kommt es auf den Einzelfall an“, sagt Ecovis-Rechtsanwältin Regenfelder, „wer meint, dass seine Versicherung zahlen sollte, sollte auf jeden Fall zuvor von einem Experten den Versicherungsvertrag prüfen lassen. Nur wenn es der Vertrag hergibt, kann sich ein Rechtsstreit für die Versicherten finanziell lohnen.“

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