„Im Gesundheitswesen treten viele Schwierigkeiten zutage, die sich besonders im ländlichen Raum zeigen“, unterstreicht Landrat Dr. Mischak in seiner Begrüßung: „Der drittgrößte Flächenkreis mit der hessenweit geringsten Einwohnerdichte bekommt die Veränderungen ganz besonders zu spüren.“ Die Ärzteschaft im Kreis hat einen hohen Altersschnitt, viele Praxen könnten bald schließen, und oft ist die Nachfolge ungeklärt. Ähnliches berichten auch die Apotheker in der Region, weiß der Gesundheitsdezernent. „Die Probleme, wie etwa der Fachkräftemangel, lassen sich in der Pflege, der stationären und ambulanten Gesundheitsversorgung sowie in vielen weiteren Bereichen im Gesundheitswesen beobachten“, führt er aus. „Wir als Vogelsbergkreis versuchen dem im Rahmen unserer Möglichkeiten entgegenzuwirken – etwa mit dem Neubau des Kreiskrankenhauses in Alsfeld“, betont der Landrat und verweist dabei auch auf die gute Zusammenarbeit mit den weiteren Krankenhäusern vor Ort. Darüber hinaus ist man mit der Beteiligung am MVZ Vogelsberg, mit medizin+ Stipendium, Weiterbildungsverbund und weiteren Angeboten der Fachstelle Gesundheitliche Versorgung und Gesundheitsförderung im Gesundheitsamt aktiv, um etwa bei Niederlassungen zu unterstützen, führt der Landrat aus.
Anschließend gibt Staatssekretärin Dr. Optendrenk einen Überblick zu den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen auf Landesebene, und unterstreicht: „Ganz wichtig sind uns gleichwertige Lebensverhältnisse für Stadt und Land“. Die Unterstützung für den Neubau des Kreiskrankenhauses ist dafür ein Beispiel. Auch sollen verschiedene Bereiche zusammenfassend betrachtet werden. So soll ein mit der Praxis abgestimmtes und verzahntes Konzept als Antwort auf die Herausforderungen erarbeitet werden. Denn flächendeckende Versorgung muss gesichert und ihre Vergütungsstrukturen müssen solide aufgestellt sein, macht sie deutlich. Allerdings mit dem Verweis auf die Bundespolitik, die sich direkt auf die Situation in Hessen auswirkt.
Den Schwerpunkt des Abends bildet ein hochkarätig besetztes Podium, auf dem sich Gynäkologin Dr. Barbara Peters, Allgemeinmediziner Dr. Stephan Harlfinger, Prof. Dr. Benjamin Ewert, Dekan des Fachbereichs Gesundheitswissenschaften an der Hochschule Fulda, Dr. Sonja Optendrenk, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, und Ralf Metzger, Hauptabteilungsleiter der AOK Hessen, mit dem Thema auseinandersetzen. Es ist an Professor Ewert die Podiumsrunde einzuleiten, bei der sich drei Themenblöcke abzeichnen, die die Diskussion bestimmen: Fachkräftesicherung und Demografie, Digitalisierung und Bürokratie sowie Finanzierung.
Fachkräfte und Demografie
Älter werdende Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, ein steigender Altersschnitt in der Ärzteschaft und fehlender Nachwuchs: eine Kombination, die das Gesundheitswesen vor Ort stark belastet. Denn immer wieder schließen Praxen ohne Nachfolge und die Patienten wenden sich den verbliebenen Praxen zu, berichten Dr. Peters und Dr. Harlfinger. Lange Wartezeiten, ein überreiztes System und weite Anfahrten sind die Folge. „Gerade im ländlichen Vogelsberg spielt zusätzlich die Hausbesuchstätigkeit eine große Rolle“, betont Dr. Harlfinger. Weite Entfernungen kosten dabei wertvolle Zeit. Hinzu kommt, dass im ländlichen Raum immer mehr ältere Menschen einen potenziell höheren Bedarf an medizinischen Leistungen haben, merkt der KV-Vorsitzende Dastych an. Zwar steht der Vogelsbergkreis statistisch bei der hausärztlichen Versorgung noch vergleichsweise gut da, doch in einem Flächenlandkreis gibt es schon jetzt einen realen Mangel in einigen Bereichen, ergänzt er. Denn wenn etwa in Homberg zwei Arztpraxen schließen und die verbliebenen Praxen quasi über Nacht 800 Patienten mehr versorgen müssen, schlägt sich das in der Gesamtstatistik kaum nieder, merkt dazu ein Arzt im Publikum an.
Dabei helfen, die Zahl der Arztkontakte zu verringern, soll das auf Bundesebene angedachte Primärarztsystem. Dabei sollen sich Patienten zuerst an die Hausarztpraxis wenden, und von dort weiter zu Fachärzten geleitet werden. Man erhofft sich davon mehr Patientensteuerung, doch auch dazu braucht es Hausarztpraxen vor Ort, ist der Tenor auf dem Podium.
Letztendlich geht es darum, Medizin-Nachwuchs aufs Land zu bringen, betont die Staatssekretärin. Landarztquoten, Unterstützungs- und Stipendienprogramme sind dabei wichtige Instrumente, ebenso wichtig sind aber auch Arbeitsbedingungen, die das Arbeiten in einer Landarztpraxis attraktiv machen.
Bürokratie, Digitalisierung und Finanzierung
Zwei ganz wesentliche Bausteine, die die Attraktivität beeinflussen, sind die Digitalisierung und die Bürokratie im Gesundheitswesen. Denn sie sorgen für viel Unmut, wie etwa ein Hausarzt berichtet. Probleme bei der elektronischen Patientenakte oder dem E-Rezept sind dabei ebenso an der Tagesordnung, wie unpassende Förderprogramme oder unnötige bürokratische Hürden, etwa bei der Abrechnung oder der Verordnung von Medikamenten für chronisch Kranke. Einig ist man sich auf dem Podium darüber, dass Telemedizin hilfreich sein kann, es aber für ein rund laufendes Gesundheitssystem mehr braucht. Etwa Vergütungsverordnungen, die die erbrachten Leistungen trennscharf und auskömmlich finanzieren, wie es ein Arzt aus dem Publikum schildert – etwa mit Blick auf seine Kollegen in den Apotheken, die das ebenfalls fordern.
Abschließend zeichnen sich verschiedene Ansätze ab, um den Herausforderungen im Gesundheitswesen beizukommen. „Ganz wichtig ist es, das sektorenübergreifend anzugehen, da es eine enge Verzahnung gibt“, sagt Dr. Optendrenk.
„Sektorenübergreifend“ ist auch das Stichwort für einen möglichen Ansatz einer neu strukturierten medizinischen Versorgung. Denn mit ihr sollen Patienten schon relativ früh in Maßnahmen der Gesundheitsförderung gebracht werden, um so auf lange Sicht das Gesundheitssystem zu entlasten, gibt die Staatssekretärin einen Ausblick auf ein mögliches Puzzleteil, das das Gesundheitssystem entlasten könnte.
Auch die Delegation von ärztlichen Leistungen auf speziell geschulte Fachkräfte oder kleinere bürokratische Hürden bei der Anerkennung ausländischer Fachkräfte wurden diskutiert, doch auch dabei ist noch ein langer Weg zu gehen.
Immer wieder wurde dabei auch die Forderung nach mehr Handlungsspielraum in Bezug auf das enge Korsett aus Reglementierungen laut, die einen gehörigen Aufwand darstellen. Letztendlich ist das Zeit, die zur Behandlung der Patienten fehlt, bringt es ein Mediziner auf den Punkt.
„Die Herausforderungen sind benannt – nun muss es darum gehen, Lösungen zu finden“, stellt Landrat Dr. Mischak zum Ende der Veranstaltung klar, verweist bei allen Problemen aber auch auf wichtige positive Impulse, etwa mit dem Neubau des Kreiskrankenhauses in Alsfeld. „Zwei Stipendiaten stehen kurz davor, in den Beruf zu starten, und an vielen Stellen arbeiten viele hoch motivierte Vogelsberger für die Gesundheit der Menschen in der Region“, sagt der Landrat.
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