Alles andere als normal

Mit »Alice im Wunderland« kommt einer der bekanntesten Klassiker der Weltliteratur zur Weihnachtszeit auf die Bühne. Lewis Carrolls Kinderbuch von 1865 gilt als eines der Meisterwerke des literarischen Nonsens. Es erzählt eine herrlich absurde Geschichte, wie sie nur von jemandem erfunden worden sein kann, der seine eigene Kindheit mit ihren Ausflügen ins Reich der Phantasie nicht vergessen hat. Das bewährte Heilbronner Märchen-Team mit Regisseur Jens Kerbel, Ausstatter Toto und Musiker Stephan Ohm ist auch in dieser Spielzeit wieder am Werk. Die Premiere von »Alice im Wunderland« ist am 6. November um 15 Uhr im Großen Haus. Geplant sind vorerst 37 Vorstellungen.

Zum Inhalt
War das gerade wirklich ein sprechendes weißes Kaninchen, das da vorbeigehoppelt ist? Mit einer Taschenuhr in der Hand und »Ich hab‘ keine Zeit, ich bin zu spät« rufend? Die kleine Alice traut ihren Augen kaum. Es verschwindet in einem Erdloch. Katze Dina jagt dem Langohr hinterher und kurzentschlossen folgt Alice ihr. Doch unter ihr scheint sich ein endloser Abgrund aufzutun – sie fällt und fällt – und landet nicht, wie sie in ihrem Flug mutmaßt, »am anderen Ende der Welt in Australien, wo die Leute auf dem Kopf laufen«, aber doch in einem »ver-rückten« Universum, wo eine Reihe von skurrilen Abenteuern und seltsamen Begegnungen auf sie wartet. Und da ist auch schon wieder das weiße Kaninchen, das geschäftig unterwegs ist, denn es muss der Herzkönigin die Zeit ansagen und kommt immer zu spät. Eine sprechende Tür wartet tagein, tagaus, dass jemand durch sie hindurch ins Wunderland auf die andere Seite geht, wohin auch Katze Dina entschwunden ist. Aber der Schlüssel liegt auf einem viel zu hohen Tisch. Ein Zaubertrank soll Alice  wachsen lassen. Doch genau das Gegenteil passiert. Sie schrumpft und weint vor Kummer ein ganzes Tränenmeer, aus dem sie das weiße Kaninchen rettet und mit ihr ins Wunderland eilt. Das Mädchen  trifft auf lauter absonderliche Wesen: einen Hummer, der eigentlich ein Koch ist, eine Schildkröte, die Hundertmeterläuferin ist, eine superkluge Raupe, eine Grinsekatze, die auch lacht, wenn sie traurig ist, das Ei Humpty Dumpty, das einem das Wort im Munde umdreht, den verrückten Hutmacher und seine närrische Teegesellschaft und schließlich die herrschsüchtige Herzkönigin und ihr unterwürfiges Gefolge.  Auf der Suche nach ihrer Katze erlebt sie im Wunderland die aufregendsten Abenteuer und wächst über sich hinaus: Sie lässt sich von dieser verdrehten Welt und ihren undurchschaubaren und sich permanent verändernden Normen nicht einschüchtern, sondern macht sich neugierig auf den Weg durch dieses »unbekannte Land«.

Teuerstes Kinderbuch der Welt
Carroll war zunächst unsicher, ob er diese Geschichte voller absurder Ideen überhaupt veröffentlichen sollte. Aber Kinder von Freunden reagierten so begeistert, dass er sie verlegen ließ. Zu seinen ersten Fans zählten etwa der junge Oscar Wilde und Queen Victoria. 1998 wurde eine Erstausgabe für 1,5 Millionen Dollar versteigert, was »Alice im Wunderland« zum teuersten Kinderbuch der Welt macht. Der britische Guardian setzte das Buch 2009 auf die Liste der Bücher, die man unbedingt gelesen haben muss, und auch die ZEIT nahm es in die Bibliothek der 100 wichtigsten Bücher auf.

Spaß am Ausbrechen aus der Norm und Entwicklungspsychologie
Bis heute haben Kinder und Erwachsene Spaß am Ausbrechen aus der Norm und dem Überschreiten von Grenzen, wofür die Geschichte so humorvoll plädiert. Regisseur Jens Kerbel mag das Aufheben der Konventionen und das  Spiel mit der Logik und versteht sehr gut, dass sich »Alice im Wunderland« ausgerechnet bei Mathematikern besonders großer Beliebtheit erfreut.

Es geht auch um die merkwürdigen Empfindungen, die mit dem Heranwachsen verbunden sind und die jedes Kind erfährt, das oft nicht weiß, wohin mit sich. Alice wird durch die Einnahme spezieller Mittelchen mal größer und mal kleiner. Sie ist Projektionsfläche unzähliger Mädchen und Jungen und arbeitet sich an deren Ängsten und den Herausforderungen des Heranwachsens ab. Sie entwickelt ein Selbstbewusstsein, das den Geboten und Gefahren der Erwachsenenwelt standhalten kann. All ihre Abenteuer besteht sie ohne fremde Hilfe. Mit kindlicher Schläue und Güte im Herzen werden hier die Konventionen der Erwachsenen und absurde Autoritäten in Frage gestellt. Die wichtigste Botschaft, die Alice als Vorbild für die Kinder vermittelt: Man kann alles schaffen!

Der Autor verzichtet dabei auf jede Belehrung und Moral. Das suchte zur Entstehungszeit des Textes seinesgleichen.

Pralles Theater
Für Ausstatter Toto ist das Kreieren des Bühnen- und Kostümbildes für »Alice im Wunderland« ein Fest: »Hier darf die Phantasie mit einem durchgehen«. Er bedient sich natürlich der Elemente der klassischen Alice-Welt und schafft einen großen Theaterspielplatz, der seine Verwandlungen ohne große Technik erfährt und so die kleinen Zuschauer durchaus zum Nachmachen einlädt. Alice ist ein Mädchen von heute, das mit einer großen Phantasie ausgestattet ist. Die Kostüme der Wunderlandbewohner hingegen sind an Opulenz kaum zu überbieten.

Musiker Stephan Ohm komponiert die Lieder und musikalischen Themen parallel zu den Proben und entwickelt Sounds und Effekte, um die kleinen und großen Zuschauer auch musikalisch in eine andere Welt zu entführen.

Premiere am 6. November 2022, 15 Uhr, Großes Haus Theater Heilbronn
Alice im Wunderland
Märchen nach Lewis Carroll
von Jan Bodinus
ab 5 Jahren

Regie: Jens Kerbel
Ausstattung: Toto
Musik: Stephan Ohm
Dramaturgie: Katrin Aissen

Es spielen: Leonie Berner (Alice); Gabriel Kemmether (Das weiße Kaninchen); Sven-Marcel Voss (Die sprechende Tür / Der Hutmacher / Der König); Katja Uffelmann (Die Schildkröte / Humpty Dumpty / Der Spielkartensoldat); Regina Speiseder (Der Hummer/ Die Grinsekatze / Die Schlafmaus / Die Herzkönigin); Alexander Redwitz (Die Raupe / Der Märzhase / Der Igel)

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