Historisches Quartal für europäische Banken zu Beginn der Corona-Krise

Die Corona-Krise hat die europäischen Banken schon im ersten Quartal hart getroffen, sie haben diese aber bisher relativ gut überstanden. Weitere Belastungen sind allerdings mit Sicherheit zu erwarten. Während die Erträge und Kosten nur leicht sanken, schossen die Rückstellungen für Kreditausfälle in die Höhe und machten den Gewinn der Branche fast komplett zunichte. Die Kapitalquoten gingen im Quartalsvergleich zurück, jedoch weniger als befürchtet, da die Banken die Dividenden für 2019 gestrichen hatten. Das Bilanzsummenwachstum erreichte mit 10% gegenüber dem Jahresende einen neuen Rekord, was auf einen Anstieg der Unternehmenskredite, höhere Liquiditätsreserven bei den Zentralbanken und ein höheres Derivatevolumen zurückzuführen war.

Die 20 größten europäischen Banken wurden im ersten Quartal von der Coronavirus-Krise und der dadurch ausgelösten Rezession hart getroffen. Bisher ist es ihnen jedoch gelungen, die Auswirkungen zu begrenzen. Die Erträge waren aufgrund gegensätzlicher Trends insgesamt leicht rückläufig gegenüber dem Vorjahr (‑1%). Einerseits handelten die Kunden, insbesondere während der Verwerfungen an den Finanzmärkten im März, mehr mit Aktien und Anleihen, was dem Provisionsüberschuss zugutekam (+9%). Andererseits litt das Handelsergebnis (-26%) unter höheren Anleihespreads und niedrigeren Aktienmarktbewertungen. Der Zinsüberschuss blieb unverändert, da sich geringere Margen und Volumenwachstum weitgehend ausglichen. Der Trend sinkender Verwaltungsaufwendungen setzte sich fort (-1%). Das durchschnittliche Aufwand-Ertrag-Verhältnis stieg dennoch um zwei %-Punkte auf 66%.

Ein sprunghafter Anstieg der Rückstellungen für Kreditverluste hatte die stärksten unmittelbaren Auswirkungen auf die GuV. Sie stiegen auf das Zweieinhalbfache des Vorjahresniveaus – das allerdings vom Rekordtief nicht weit entfernt war. Darüber hinaus ist die Risikovorsorge im Vergleich zu US-amerikanischen Banken eher gering. Dort stieg sie in Q1 auf das Viereinhalbfache des Wertes von 2019, obwohl die Rezession Europa stärker treffen dürfte als die USA. 2020 wird das BIP im Euroraum voraussichtlich um 12% und in Großbritannien um 11,5% einbrechen, verglichen mit 7% in den USA. Das ist ein wichtiger Maßstab für den wirtschaftlichen Schock, auch wenn sich dieser aufgrund struktureller Unterschiede und einer Vielzahl unterschiedlicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, die die Ausfallwahrscheinlichkeiten beeinflussen, nicht eins zu eins in Kreditverlusten niederschlagen wird.

Die Entscheidungsträger haben die europäischen Banken aufgefordert, keine übermäßigen Rückstellungen zu bilden und die in den Bilanzierungsregeln enthaltene Flexibilität voll zu nutzen. Damit besteht allerdings die Gefahr, dass sich die bedenkliche Erfahrung nach der Finanzkrise wiederholt. Die Kreditrisikovorsorge der US-Banken war bereits 2011/12 wieder auf Normalniveau. Ihre europäischen Wettbewerber brauchten dafür viel länger, nämlich bis 2014/15. Einer der Gründe dafür waren – abgesehen vom Zweitrundeneffekt der europäischen Staatsschuldenkrise – die erheblich niedrigere Risikovorsorge in Europa und die entschlossenere Reaktion der US-Banken während und unmittelbar nach der Finanzkrise 2008-10. Die anhaltende Belastung der europäischen Banken ermöglichte es ihren US-Konkurrenten, davonzuziehen und Marktanteile zu gewinnen, insbesondere im Kapitalmarktgeschäft.

Unter dem Strich blieb in Q1 fast kein Gewinn mehr übrig (-84% gegenüber Vorjahr), da mehr als ein Drittel der europäischen Banken einen Nettoverlust verzeichnete (im Gegensatz zu ihren US-amerikanischen Konkurrenten, die alle in den schwarzen Zahlen blieben). Dem ging bereits ein reduzierter Gewinn im Vorjahr voraus. 2018 war das einzige Geschäftsjahr seit der Finanzkrise, in dem alle großen europäischen Banken profitabel waren. Daran dürfte sich vorerst auch nichts ändern.

Die Bilanzsumme legte stark zu, um 8% gegenüber Vorjahr und in den letzten drei Monaten sogar um ganze 10%. Ein saisonaler Anstieg im ersten Quartal ist zwar üblich. Dieser ist aber beispiellos – es ist der stärkste in einem einzelnen Quartal seit Beginn dieser Zeitreihe 2005. Nicht einmal in den enormen Verwerfungen während der Finanzkrise in den Jahren 2007-09 oder in der europäischen Schuldenkrise verzeichneten die Banken ein derart massives Bilanzwachstum. Gründe hierfür waren höhere Liquiditätsreserven bei Zentralbanken sowie höhere Interbankforderungen, höhere Derivatevolumina und ein kräftiges Plus bei (Unternehmens-)Krediten. Das unterstreicht die grundlegend andere, positivere Rolle der Banken in der aktuellen Krise: Mängel im Bankensystem standen im Mittelpunkt der Finanzkrise und der globalen Rezession. Schwache Bankensektoren in Ländern wie Irland, Spanien und Italien verschärften die Schuldenkrise von 2010-15. Jetzt hingegen können die Banken dazu beitragen, den wirtschaftlichen Schock zu mildern, der die Welt wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hat. Sie können die Kunden weiterhin unterstützen und Unternehmen, Haushalte und Staaten finanzieren, selbst wenn sich deren Bonität verschlechtert und die Kapitalausstattung der Banken unter Druck gerät. So gesehen bietet die Corona-Krise der Bankenbranche eine Chance auf „Wiedergutmachung“, d.h. die Möglichkeit, ihren Ruf als verantwortungsbewusster Teil der Gesellschaft ein Stück weit wiederherzustellen.

Die risikogewichteten Aktiva (risk-weighted assets, RWA) stiegen in Q1 sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch gegenüber dem Vorquartal um 2%. Zurückzuführen war das in erster Linie auf das Bilanzwachstum, Ratingmigration, verschärfte Regulierung (regulatorische Inflation) bei Verbriefungspositionen und höhere Marktrisiken aufgrund der extremen Finanzmarktvolatilität. Dadurch wurden einige Verkäufe von Vermögenswerten mehr als ausgeglichen, ebenso wie positive Wechselkurseffekte, da die Währungen vieler Schwellenländer gegenüber dem Euro abwerteten.

Das gesamte Eigenkapital stieg lediglich um 1% im Jahres- und Quartalsvergleich. Die durchschnittliche CET1-Quote lag mit 13,5% leicht über dem Niveau von vor zwölf Monaten (+0,2 %-Punkte), ging jedoch seit Jahresende 2019 deutlich zurück (-0,4 %-Punkte). Die Aussetzung von (mitunter beträchtlichen) Dividenden für 2019, die bereits verbucht waren, aber nach den Empfehlungen der EZB gestrichen oder zumindest zurückgestellt wurden, wurde durch den Anstieg der RWA sowie durch Nettoverluste bei einigen Instituten mehr als ausgeglichen, die zu niedrigeren Kapitalquoten beitrugen. Diese wären natürlich stärker gesunken, wenn die Kreditrisikovorsorge höher gewesen wäre. Ähnlich sah es bei der Leverage-Ratio aus, die mit 4,8% im Jahresvergleich unverändert blieb, im Quartalsvergleich jedoch um 0,3 %-Punkte sank. Damit ist die Kapitalausstattung insgesamt bislang robust geblieben. Die größten Belastungen stehen allerdings noch bevor, da die Rezession erst im laufenden Quartal voll zum Tragen kommt und wahrscheinlich nicht vor 2022 vollständig überwunden sein wird. Mit Blick auf die Liquidität gelang es den Banken trotz der heftigen Turbulenzen, die Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) mit im Durchschnitt soliden 146% gegenüber dem Vorquartal weitgehend stabil zu halten (-5 %-Punkte gegenüber Vorjahr).

Siehe auch (auf Englisch):
Crisis impact on bank balance sheets in the euro area
Initial US bank performance in the corona crisis
European banks in the corona crisis

Originalfassung in Englisch vom 20. Mai 2020: ˮHistoric quarter for European banks at the onset of the corona crisisˮ

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