Geschlossene Gesellschaft in der Chefredaktion, fast niemand hat einen Migrationshintergrund

Deutschland ist ein Einwanderungsland, mehr als ein Viertel aller Menschen haben einen Migrationshintergrund. Doch findet sich diese Vielfalt in den Redaktionen und Chefetagen von Medienhäusern wieder? Die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) haben nachgefragt und stellen erstmals Daten und Erkenntnisse für die reichweitenstärksten 122 Medien vor. Daraus geht hervor:

  1. Lediglich 6 Prozent der Chefredakteur*innen haben einen Migrationshintergrund. Gruppen, die besonders von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, sind darunter nicht vertreten (siehe Grafik im Anhang).
  2. Deutsche Medienhäuser wissen nicht, wie vielfältig bzw. homogen ihre Redaktionen sind, und sie wollen es offenbar auch nicht wissen. Der Migrationshintergrund oder ähnliche Diversitätsmerkmale werden (bis auf eine Ausnahme) nicht erfasst.
  3. Die meisten Chefredakteur*innen bewerten Diversität in Redaktionen grundsätzlich als positiv. Doch kaum jemand ist bereit, etwas dafür zu tun. Im internationalen Vergleich hinken deutsche Medien deutlich hinterher.

"Vielen deutschen Medien droht, dass sie den Anschluss an die Realität in Deutschland verlieren. Schon heute hat in vielen Großstädten die Mehrheit der eingeschulten Kinder einen Migrationshintergrund", sagt NdM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz. Medienexpertin Prof. Dr. Christine Horz, die die Studie wissenschaftlich begleitet hat, erklärt: „Vor allem öffentlich-rechtliche Sender sollten aufgrund ihres Auftrags die gesellschaftliche Vielfalt abbilden, sich als Vorreiter präsentieren und endlich nachhaltige Diversitätsstrategien konzipieren“.

Um neue Perspektiven in die Berichterstattung aufzunehmen und die Redaktionen zu öffnen, empfehlen die Neuen deutschen Medienmacher*innen Medienhäusern folgende Maßnahmen:

  1. Berichten Sie für die ganze Gesellschaft. Die Communities eingewanderter Menschen sind große Zielgruppen, sie sollten als Publikum mitgedacht werden. Diversität im Programm bzw. der Publikation kann die Reichweite und Auflage steigern und bringt Sie als Arbeitgeber*in für Menschen aus Einwandererfamilien ins Spiel.
  2. Vielfalt muss Chefsache werden. Entscheider*innen müssen gemeinsam mit der Belegschaft eine Strategie zur Gewinnung von Personal mit Einwanderungsgeschichte erarbeiten. Verändern Sie Ihre Rekrutierungsprozesse, sprechen Sie Bewerber*innen of Color1 proaktiv an und schaffen Sie Formate zur Talentförderung. Sensibilisieren Sie Ihre Personalverantwortlichen, für mehr Diversität zu sorgen.
  3. Verschaffen Sie sich als Medienhaus ein Bild über den Anteil migrantischer Journalist*innen in Ihren Reihen, legen Sie diese Diversitäts-Daten transparent offen und formulieren Sie klare Zielvorgaben (softe "Quoten"), die überprüft werden können.

Der ausführliche Bericht mit allen Ergebnissen, Zahlen und Best-Practices ist hier abrufbar.

Die Untersuchung wurde von den Neuen deutschen Medienmacher*innen zunächst ehrenamtlich durchgeführt, wurde wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Christine Horz, Technische Hochschule Köln und im Verlauf freundlich unterstützt von der Google News Initiative.

1 People of Color ist eine Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrung, die nicht als weiß, also deutsch oder westlich wahrgenommen werden. Damit wird jedoch keine Hautfarbe beschrieben, sondern eine gesellschaftliche Zugehörigkeit.

Geschlossene Gesellschaft in der Chefredaktion

Von 126 befragten Chefredakteur*innen der größten deutschen Medien haben nur sechs Chefs und zwei Chefinnen einen Migrationshintergrund nach der Definition des Statistischen Bundesamts. Das heißt, sie selbst oder mindestens ein Elternteil wurden mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit geboren.

Vertreten sind die Nationalitäten österreichisch, luxemburgisch, dänisch, niederländisch, irisch, italienisch, rumänisch und griechisch. Die wenigen Chefredakteur*innen mit Migrationshintergrund gehören mehrheitlich zu Einwanderergruppen, die im öffentlichen Diskurs nicht als „fremd“ kodiert werden. Es ist keine einzige Person darunter, die eine außer-europäische Herkunft hätte.

Damit weisen die Chefredakteur*innen in deutschen Massenmedien – für eine Gesellschaft, die sich seit mindestens zwei Jahrzehnten auch offiziell als Einwanderungsland versteht – eine erstaunliche Homogenität auf. Umgekehrt: sichtbare Minderheiten bleiben außer vor.

Über den Neue Deutsche Medienmacher e.V.

Die Neuen deutschen Medienmacher*innen sind ein bundesweiter Zusammenschluss von Journalist*innen mit und ohne Migrationsgeschichte, die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.

Wir sind politisch unabhängig, nationalitäten- und konfessionsübergreifend.

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Neue Deutsche Medienmacher e.V.
Goltzstraße 39
10781 Berlin
Telefon: +49 (30) 26947230
http://www.neuemedienmacher.de

Ansprechpartner:
Konstantina Vassiliou-Enz
E-Mail: vassiliou-enz@neuemedienmacher.de
Prof. Dr. Christine Horz
TH Köln
E-Mail: christine.horz@th-koeln.de
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