Wie Banken ihr Risiko zukünftig kalkulieren und absichern müssen

Deutsche Kreditinstitute müssen sich auf umgestaltete und schärfere Normen zur Eigenkapitalanforderung einstellen. Mit der Veröffentlichung der geänderten Richtlinien zur Risikotragfähigkeit (RTF) haben BaFin und Deutsche Bundesbank den Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) grundlegend neu definiert. Das Regelwerk soll verhindern, dass sich einzelne Banken finanziell übernehmen und damit ihre eigene Existenz aufs Spiel setzen. Auch die Europäische Zentralbank stellt im ICAAP-Leitfaden von November 2018 klar, dass jedes EU-Institut ausreichend Kapital zur Sicherung des dauerhaften Fortbestands bereithalten muss.

Planungshorizont künftig drei Jahre

Der Neuregelung zufolge dürfen Banken ihre Geschäfte nur dann ausweiten oder zusätzliche Risiken eingehen, wenn sie dafür genügend freie Eigenmittel aufweisen, stille Reserven auflösen oder Plangewinne einsetzen können. Die Fähigkeit dazu, ist jedoch über einen mindestens dreijährigen Planungshorizont nachzuweisen. Ein Abwägen zwischen Fortführung und Liquidation sowie aufwendige Versuche, diese Kalküle in klare Regieanweisungen für den Vorstand überzuleiten, ist künftig obsolet.

Engeres Korsett für die Risikoquantifizierung

„Regulatorisches Eigenkapital ist ein knappes Gut und bleibt durch die neuen Regelungen weiterhin Engpassfaktor“, sagt Mario H. Sladek, Berater und Aufsichtsrechtsexperte bei PPI. „Das schränkt den Spielraum ein, wie und wofür Banken ihr Kapital weiter einsetzen dürfen.“ Sladek weiter: „Der entscheidende Punkt ist aber, dass es den Banken künftig schwerer fällt, eigene Modelle zur Risikoquantifizierung einzusetzen, ohne an regulatorische Leitplanken zu stoßen.“ Das ist eine klare Abkehr von der bisherigen Konstruktion des ICAAP, in dessen Kern bekanntlich die Sicherstellung der Risikotragfähigkeit steht. Bislang galt eine prinzipielle Methodenfreiheit bei der Komposition des Risikodeckungsvermögens und der Ermittlung der Risikopotenziale.

Zwei neue Ansätze

Künftig löst ein normativer und ein wechselseitig eng damit verwobener ökonomischer Ansatz die bisherigen Konzepte zum Going Concern und Gone Concern ab. „Die organisatorischen Auswirkungen der Implementierung eines integrierten Prozesses aus mehrperiodischer Kapitalplanung, der mit ergänzenden Stresstests im Kontext von Strategie und Risikoinventur verbunden ist, dürften teils erheblich sein“, sagt Regulatorik-Experte Sladek.

Verschiedene Szenarien sind zu rechnen

Im Rahmen der Kapitalplanung erwartet die Aufsicht eine Prognose des Instituts über mindestens drei Jahre hinsichtlich der Auswirkungen der Geschäfts- und Marktentwicklung, des Ertrags- und Risikowachstums, aber auch etwaiger regulatorischer und Wettbewerbsbedingungen auf die Risikotragfähigkeit. Die Komplexität erhöht sich dadurch, dass in verschiedenen adversen Szenarien ungünstige Verläufe durchzuspielen und deren mehrperiodische Wirkung auf den Ertrag und das regulatorische Kapital des Instituts aufzuzeigen sind. „Jedoch sind nur für sehr kleine Banken weniger als zwei Szenarien angemessen“, sagt Mario Sladek.

Hoher Handlungsbedarf bei kleineren Instituten

Zwar dominiert der Going Concern Ansatz bisher bei überwiegend kleinen und mittelgroßen Banken. Für diese Institute gibt es eine vorübergehende Wahlfreiheit, diesen Ansatz als sogenanntes Annex-Institut weiterzuverwenden. Dennoch dürfe es für die meisten der rund 1.600 als weniger bedeutende Institute eingestuften LSI (Less Significant Institutions) zu Überstunden kommen, um den neuen Leitfaden umzusetzen und Audit Readiness herzustellen. Außer Acht bleiben darf auch nicht, dass der RTF-Leitfaden neben den neu avisierten Niedrigzinsumfragen, multiplen Stresstests, zu implementierenden Melderegularien und den aus der Finalisierung von Basel III resultierenden Umsetzungsbedarfen die Stimmung drücken könnte.

Datenhaushalte und Reportingformate sind zu adjustieren und konsistent aufeinander abzustimmen. Gleichzeitig sollen erfolgreiche Geschäfte und zufriedene Kunden weiterhin den Alltag bestimmen. „Trotzdem wird sich der Aufwand lohnen“, ist Aufsichtsrechtsexperte Mario Sladek überzeugt, „da sich das neue Steuerungsinstrumentarium wertschöpfend im Rahmen der Gesamtbanksteuerung auswirken wird und für mehr Sicherheit und Berechenbarkeit sorgt.“

Ökonomische Auswirkungen übergreifend analysieren

Die ökonomische Perspektive bringt Bewegung in die Frage, inwieweit sich beispielsweise Zinsänderungsrisiken und die damit häufig verbundenen Barwertverluste in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen und wie materialisierende ökonomische Risiken das Periodenergebnis beeinflussen. Diese Überleitungen sind künftig für alle relevanten Risikofaktoren zwingend.

Weiterhin spielen die Kostenbarwerte beim Risikodeckungspotenzial eine große Rolle. Die Verbarwertung ablaufender Kosten, wie diese in einem Liquidationsszenario üblich ist, dürfte nicht mehr ausreichen, um die Kosten der Fortführung sicherzustellen.

Nachrangmittel sind nicht mehr heranziehbar

Auch wenn sich die ökonomische Perspektive stärker an den bisherigen Liquidationsansatz anlehnt, so sind es doch vor allem die Implikationen zwischen den verschiedenen Steuerungskreisen, welche künftig stärker betont werden. Nachrangmittel beziehungsweise Kapital, welches lediglich im Abwicklungsfall heranziehbar ist, lässt sich mit einem auf langfristigen Fortbestand fokussierten Ansatz nicht mehr vereinen, wie die PPI AG in ihrem Whitepaper ausführt.

Whitepaper verschafft Überblick

Das aktuelle PPI-Whitepaper „Gemeinsame Perspektiven – Implikationen des neuen RTF-Leitfadens für die Gesamtbanksteuerung“ können interessierte Leser auf der PPI-Website kostenlos herunterladen: www.ppi.de/wp-rtf

Über die PPI AG

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