Vom Leben in einer eigenen Welt: Wie ein junger Mann mit Asperger Syndrom seine Ausbildung zum IT’ler bei thyssenkrupp in Duisburg meistert

Er arbeitet besonders gerne nach Anleitung: Wenn er genau weiß, was er zu tun hat, übersetzt er zügig die vorgegebenen Systembefehle in Programmiersprache. Denn dabei gibt es kein „vielleicht“, nur ein „richtig“ oder „falsch“. Dann blüht David Müller* auf, zumindest innerlich, denn seine Emotionen sind dem jungen Mann meist nicht anzusehen. In seiner Kindheit wurde bei ihm das Asperger Syndrom diagnostiziert, die milde Variante von Autismus, die drei von 1.000 Menschen in Deutschland betrifft. Schon allein durch das Wissen um die Beeinträchtigungen und positiven Seiten der Entwicklungsstörung kann ein möglichst bereichernder Umgang miteinander gefunden werden, findet David Müller. Deshalb kann er auch seine Ausbildung zum IT‘ler im Stahlbereich von thyssenkrupp machen, denn seine Ausbilder und Freunde können sein manchmal ungewöhnliches Verhalten einschätzen und besondere Rücksicht darauf nehmen.

Rituale helfen gegen das Chaos im Kopf

Stellt er zum Beispiel im Ausbildungsalltag eine Aufgabe fertig, versinkt er in seine eigene Welt; mal vergisst er, dass er vielleicht auf seinen Ausbilder zugehen sollte, mal traut er sich nicht oder braucht sehr lange, um sich zu überwinden. Denn Gesichtsausdrücke und Redewendungen zu deuten oder auch nur Blickkontakt zu halten, fällt ihm schwer. Bei allen Formen des Autismus ist es für die Betroffenen eine Herausforderung, Reize zu filtern und zu priorisieren. Neben der sachlichen Leistung, den Ausbildungsstoff zu lernen, muss David deshalb auch viel Energie aufwenden, um das soziale Miteinander zu bewältigen. Feste Rituale und Regeln helfen ihm, damit im Kopf kein Chaos ausbricht, ebenso wie seine Therapie, durch die das Asperger Syndrom zwar nicht geheilt wird, in der er aber Strategien erlernt, um in der nicht autistischen Welt gut zu bestehen.

Sein Fachabitur hat er mit dem Lieblingsfach Mathematik absolviert. Dazu passt auch, dass er gerne Fußball spielt „Der Ball ist entweder im Tor oder er ist es nicht“, so David Müller über das binäre System des Volksports. „Alle spielen auf dieses Ziel hin. Dazwischen gibt es nichts“.

Seine Eltern haben früh gemerkt, dass sie ein besonderes Kind haben: David war stiller und brauchte mehr Ansprache als andere, wenn er aber mit einer Sache angefangen hatte, konnte er sich für Stunden vertiefen und dann besondere Leistungen vollbringen.

„Bei Gesprächen ist es auch heute noch so, dass es für mich am einfachsten ist, wenn andere mit mir in Kontakt treten und die Unterhaltung steuern“, so der junge Mann, der Small-Talk nichts abgewinnen kann, aber in Programmiersprache aufgeht. „Wir gehen deshalb offensiver auf ihn zu und betreuen ihn intensiver, suchen den Blickkontakt und sprechen ihn aktiv an“, so einer seiner Ausbilder. Dass David Müller Azubi bei thyssenkrupp ist, ist für das Unternehmen ein Glücksfall. „Vielfalt beim beruflichen Nachwuchs ist für uns ein doppelter Gewinn: Einerseits bereichern unterschiedliche Menschen mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen den Unternehmensalltag. Darüber hinaus beweisen gerade Jugendliche, die Herausforderungen und Veränderungen in ihrem Leben mit persönlicher Reife angenommen haben und meistern, entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung“, betont Personalvorstand Thomas Schlenz der thyssenkrupp Steel Europe AG.

Am 2. April 2017 ist Weltautismus-Tag:

Jedes Jahr am 2. April wird weltweit auf die unterschiedlichen Formen von Autismus aufmerksam gemacht und für ein barrierefreies Miteinander geworben. Das diesjährige Motto des Bundesverbandes Autismus Deutschland e.V. lautet: „Gemeinsam Barrieren aufbrechen für Autismus – Teilhabeschranken abbauen!“ Derzeit wird vor der Europäischen Kommission in Brüssel der "European Accessibility Act" verhandelt, der Menschen mit Beeinträchtigungen eine schrankenlose Teilhabe im öffentlichen Leben ermöglichen soll. In diesem Zusammenhang macht sich Autism Europe für die uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Autismus stark und möchte die Öffentlichkeit für die Teilhabeschranken von Menschen mit Autismus sensibilisieren. 

*Name zum Schutz der Privatsphäre geändert.

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