Buchrezension
Tony Reinke: Von Arche, Babel und KI
Eine biblische und praktische Theologie der Technik
Betanien Verlag, Augustdorf
330 Seiten
Paperback: 19,90 Euro
ISBN 978-3-945716-79-3
Seit dem Sündenfall erfindet der Mensch Geräte, die ihm das Leben leichter machen sollen. Innovationen wie Pflug, Druckerpresse oder Smartphone bereichern ohne Zweifel unsere Welt. Wie ist diese Tatsache jedoch theologisch zu bewerten? Um eine biblische Theologie der Technik zu entwickeln, diskutiert der amerikanische Journalist und Autor Tony Reinke neun wichtige Bibeltexte, räumt mit zwölf christlichen Mythen zum Thema auf und nennt vierzehn ethische Grundsätze, die Christen helfen können, Glauben und Technik gelungen zu verbinden. Interessante Aussagen von bekannten Erfindern, Autoren und Theologen runden die Gedanken ab.
Zum Inhalt
Das Buch umfasst 330 Seiten und ist in sieben Kapitel gegliedert. Die Kapitelüberschriften bestehen aus einzelnen Fragen: Was ist Technik? Wie steht Gott zur Technik? Woher kommt unsere Technik? Was kann Technik niemals erreichen? Wo endet unsere Technik? Wie sollen wir Technik heute gebrauchen? Wie sollen wir denn leben? Ziel ist es, den Ursprung von Erfindungen zu erforschen und ihre Grenzen kennenzulernen. Reinke unterscheidet grundsätzlich zwei entgegengesetzte Lager: die Utopisten, die jede Erfindung uneingeschränkt feiern und in Richtung Selbstexistenz unterwegs sind sowie die Dystopiker, die Technik als ein wieder aufgebautes Babel betrachten.
Der Autor macht grundsätzlich klar: Gott ist nicht technikfeindlich. Im Gegenteil, er gibt dem Menschen seinen Geist, um kreativ zu werden. Ingenieure und Erfinder sind von Gott ebenso zu ihrem Werk berufen, wie der geistliche Stand. „Alle Erfindungen sind letztlich ein Werk des Heiligen Geistes, der bei der Schöpfung diese Fähigkeit zu Kreativität in den Menschen hineingelegt hat.“ Doch „Ein lebhafter technischer Verstand sagt nichts über die Lebendigkeit der Seele aus.“ Und doch ist „derselbe Heilige Geist am Werk – beim neuesten Smartphone ebenso wie bei der Bekehrung einer Seele“ (S. 65). Technische Innovationen sind nach Reinke also als ein natürlicher Bestandteil der Schöpfungsordnung anzusehen. Doch „Gott bestimmt die Höhe, Breite und Tiefe des Sandkastens unserer Entdeckungen“ (S. 117).
Die kommende Krise besteht laut Reinke darin, dass technischer Fortschritt, von sündigen Menschen entwickelt, auf einen weiteren Konflikt mit Gott zusteuern wird. Der Autor spricht von der Tech-Kultur, die eine Kultur der Beschleunigung ins Nirgendwo sei, in der Optimierung zum Selbstzweck geworden sei. Darüber hinaus schreibt er vom „Evangelium der Technik“ (S. 171), das diese Beschleunigungskultur befeuere, dem eine gewisse Weltanschauung von Zufall und Wahrscheinlichkeit zu Grunde liege. Hoffnung wird auf die Technik ausgelagert, die Vollkommenheit nicht mehr im Göttlichen, sondern im Technischen gesucht. Alles Schlechte oder Hinderliche könne durch neue Innovationen besiegt werden – bis hin zur Erlösung vom Menschlichen durch den Transhumanismus. Darüber hinaus predige das Evangelium der Technik auch Bequemlichkeit und Komfort, Risikominimierung und (falsche) Sicherheit.
Christen werden deshalb aufgerufen, eine Ethik der Technik zu entwickeln. Diese ist jedoch nicht schwarz-weiß. In der Realität entscheidet die Anwendung über den Wert des Gerätes, was nicht bedeuten soll, dass Technik an sich neutral ist. Die Bibel lege den Schwerpunkt auf den Gebrauch von Innovationen (S. 71). Technik werde dann missbraucht, wenn der Geber der Gaben darüber vergessen wird. Alltagstechnik gehöre aber genauso zu Gottes guten Gaben wie Gesundheit. Und doch ist keine Innovation perfekt, alle können in unserer sündigen Welt Nebenwirkungen entfalten. Daher der praktische Tipp: „Wenn ein technisches Gerät gegen dein Gewissen verstößt, verzichte darauf“ (S. 155).
Gibt es totale Technikresistenz? Die Gemeinschaft der Amisch wird als Beispiel dafür erwähnt. Die Amisch gelten als einzige Gemeinschaft weltweit, die sich bewusst dafür entschieden hat, technikminimalistisch zu leben. Der Grund darin sei in der „Technikanbetung“ der Nordamerikaner zu finden, die die Segnungen Gottes auf die Spitze treiben würden. Da jede Gesellschaft nach falschen Erlösern in Form von Pferden, Streitwagen, Türmen, Robotern, Raketen oder Drohen greife, würden die Amisch genau das Gegenteil dessen tun, um Maß zu halten. So verkörpern diese Menschen ein wichtiges Prinzip: Zum Beherrschen von Technik gehören in jedem Fall Selbstbeschränkung und bewusste Zurückhaltung.
Zum Buch
Klug und kritisch sind die Gedanken des Autors zum Thema Technik. Das Buch wird in seinem Aufbau der Komplexität des Themas gerecht und fordert Christen heraus, nuanciert zu denken. Nicht Technikpessimismus oder Technikresistenz sind angebracht, um das moderne Leben zu meistern, sondern eine radikale Hinkehr zu Gott. Technikutopien und den Versuchungen und Versprechungen des „Evangeliums der Technik“ gilt es zu widerstehen und allein Gott Ehre zu geben. Reinke macht deutlich: „unsere Berufung ist immer die Anbetung“ (S. 223). Gottgegebene Weisheit sei der Schlüssel zum Erfolg.
Nach der gründlichen Analyse und der Darstellung der Herausforderungen, die sich für Christen ergeben, gestaltet sich die Beantwortung der Frage „Wie sollen wir denn leben?“ umso komplexer. Wenn die Utopie nicht rettet, der Pessimismus hinterwäldlerische Experten entstehen lässt und die Resistenz nur den Amischen zugestanden wird, wird die Frage umso drängender. Hier bleibt die Antwort mit dem Verweis auf göttliche Weisheit ebenso abstrakt wie der Aufruf zur Anbetung. Wie sieht praktisches Leben aus, wenn zukünftig alle Verhaltensweisen digitalisiert werden? Die vom Autor propagierte Gelassenheit diesbezüglich wirkt etwas resignierend. Der Aufruf zum Tech-Minimalismus wirkt dagegen etwas charmanter, doch dürfte er ebenso schwer umzusetzen sein. In aller Konsequenz: Ob Fluch oder Segen, das bestimmen wir letztlich selbst und ständig.
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