Wenn das Cookie-Banner zur Inspirationsquelle wird

Alle kennen es, aber kaum jemand mag es: Bevor wir eine Website besuchen, informiert uns ein Banner über Cookies – kleine Dateien, die unser Surfverhalten speichern können – und fragt um Erlaubnis, unsere Daten verarbeiten zu dürfen. Viele klicken es schnell weg, ohne lange nachzudenken. Doch wer käme auf die Idee, diesen lästigen, aber bisher alternativlosen Begleiter zum Ausgangspunkt einer Doktorarbeit zu nehmen?

Dr. Tobias Kircher, wissenschaftlicher Mitarbeiter der TUM School of Management am Campus Heilbronn, hat genau das getan. „Das Cookie-Banner fragt uns, ob wir teilweise Hunderten von Drittanbietern erlauben möchten, uns zu tracken – also zu erfassen und auszuwerten, wie lange wir auf der Seite bleiben und was wir alles anklicken“, berichtet der Postdoktorand. „Da kam bei mir die Frage auf: Woran liegt es, dass wir selbst auf einfachen Webseiten mit so vielen Dritten persönliche Daten teilen sollen? Ich wollte erforschen, ob man das Cookie-Banner nicht einfach abschaffen kann.“

Voraussetzung dafür wäre ein vollständiges Verbot des Trackings. Die Vorteile liegen auf der Hand: „Tracking schränkt die Freiheit ein. Die Menschen fühlen sich überwacht und nutzen Google seltener, als sie gerne würden. Sie suchen nicht nach allem, wonach sie eigentlich suchen wollen.“ Hinzu komme eine weitere Gefahr: „Personalisierte Werbung, die ohne Tracking nicht möglich wäre, kann unser Kaufverhalten beeinflussen. Wir werden Opfer von Werbekampagnen und kaufen unnützes Zeug. Wir geben mehr Geld aus, als wir eigentlich wollen.“ Besonders leicht beeinflussbar seien Kinder. Deshalb spricht sich Kircher dafür aus, Tracking bei Kindern und anderen besonders schutzbedürftigen Gruppen zu verbieten, was de facto in den USA und in der EU bereits der Fall ist.

Ein Drittel weniger Apps

Warum sollte die Politik jedoch ein pauschales Trackingverbot gut überdenken? Zum einen wegen der drohenden wirtschaftlichen Folgen: „Es würde zu einem dramatischen App-Sterben kommen. Es gäbe etwa ein Drittel weniger Apps. Auch die Qualität digitaler Angebote wie YouTube-Videos, Smartphone-Applikationen oder Nachrichtenartikel würde abnehmen. Und wir müssten mit deutlich mehr Werbeanzeigen rechnen.“ Letzteren Effekt erklärt Kirchner damit, dass nicht-personalisierte Anzeigen seltener angeklickt werden. Dadurch würden Werbeeinnahmen sinken. „Diesen Verlust müssten die Firmen durch eine Erhöhung der Werbefrequenz kompensieren.“ Ein nicht zu unterschätzender Nachteil, denn wer will schon beim Netflix-Schauen ständig von Anzeigen unterbrochen werden?

Doch die Auswirkungen könnten noch gravierender sein: „Ein komplettes Verbot würde das Wirtschaftswachstum hemmen und der Innovationskraft schaden. Das kostet Arbeitsplätze, da eine Vielzahl der App-Entwickler vom Markt verschwinden würde. Wäre das Geschäftsmodell der App-Entwickler nicht mehr tragfähig, würde eine geringere Zahl werbefinanzierter Start-ups gegründet. Ein Trackingverbot bedeutet also auch einen Verlust an Unternehmertum.“

Was Tracking mit Demokratie und Bildung zu tun hat

Tracking durch Drittparteien, die nicht Betreiber der besuchten Website sind, hat auch eine politische Bedeutung. „Vor allem Zeitungen mit ihrer heterogenen Leserschaft profitieren davon: Wenn sie Interessen und Konsumgewohnheiten der Nutzer besser verstehen, können sie ihre Werbeanzeigen zu einem höheren Preis verkaufen und erzielen mehr Umsatz. Das wirtschaftliche Wohlergehen von Nachrichtenanbietern ist gesellschaftlich von hoher Relevanz, weil sie eine zentrale Rolle für die Demokratie spielen.“

Ein vollständiges Trackingverbot könnte sich sogar negativ auf die Bildungschancen auswirken: In einer seiner Studien hat sich Kircher mit Lernvideos auf YouTube befasst. Seine Erkenntnis: Seit dem Verbot verhaltensbasierter Werbung an Kinder auf der Videoplattform, das Google im Jahr 2020 aufgrund gesetzlicher Vorgaben umgesetzt hat, werden weniger Lernvideos für Kinder bereitgestellt. „Dabei ist YouTube eine einzigartige Wissensquelle, insbesondere für kleine Kinder, die noch keine Lern-Apps nutzen können und noch nicht in der Schule sind“, sagt Kircher. Auch ältere Schülerinnen und Schüler können dort Unterrichtsinhalte wiederholen oder vertiefen.

Verschiedene Lösungsansätze

Welche Lösung aber würde die Vorteile des Trackings erhalten und gleichzeitig seine Risiken begrenzen? „Tracking könnte vielleicht nur dort verboten werden, wo ein Verbot keine schwerwiegenden Nachteile mit sich bringen würde“, schlägt Kircher vor. Auf YouTube beispielsweise könnte das Profiling – also personalisierte Werbung und Content-Empfehlungen auf Basis selbst erhobener Daten – eingeschränkt werden. „Möglicherweise entstehen künftig auch neue Technologien, die das Tracking ersetzen“, fügt Kircher hinzu. Bisher sei jedoch keine Technologie in Sicht, die ähnlich effektiv ist und zugleich weniger stark in die Privatsphäre eingreift.

Vielleicht ist der Status quo also gar nicht so schlecht: „Eine gute Kompromisslösung ist der aktuelle Mittelweg – das Einholen der Einwilligung zum Tracking durch das Cookie-Banner. So können alle selbst entscheiden, ob sie ihre Daten teilen möchten oder nicht. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bleibt gewahrt.“ Das Cookie-Banner wird uns daher wohl noch eine ganze Weile erhalten bleiben. So lästig es manchmal sein mag – echte Alternativen gibt es bisher keine.

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