Brandenburgs Justizministerin scheitert bei dem Versuch, den Richterwahlausschuss zu umgehen

Justizministerin Susanne Hoffmann wollte eklatant rechtswidrig einen Richter versetzen. Das hat das Dienstgericht des Landes Brandenburg mit Beschluss vom 23. Dezember 2022 (Aktenzeichen DG 7/22) mit deutlichen Worten jetzt unterbunden.

Der Entscheidung lag der folgende Fall zugrunde: Durch Gesetz aus Juni 2021 wurden die Gerichtsbezirke der brandenburgischen Arbeitsgerichtsbarkeit neu strukturiert. Dabei wurde u.a. das Arbeitsgericht Eberswalde aufgelöst. Einen dort tätigen Richter will die Ministerin an das entfernte Arbeitsgericht Neuruppin versetzen. Für eine solche Versetzung ist nach dem klaren Wortlaut des § 11 Abs. 1 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg die Zustimmung des beim Landtag eingerichteten Richterwahlausschusses erforderlich[1]

Entsprechend schlug die Ministerin dem Richterwahlausschuss zweimalig die geplante Versetzung vor, erhielt hierfür aber keine Mehrheit. Auf einen Alternativvorschlag, nämlich die Versetzung an das näher gelegene Arbeitsgericht Frankfurt (Oder), ging die Ministerin nicht ein, sondern versuchte nunmehr unter Umgehung des Richterwahlausschusses einfach Fakten zu schaffen. Sie wies den Richter am 20. September 2022 ohne weitere Beteiligung des Richterwahlausschusses dem Arbeitsgericht Neuruppin zu. Hiergegen stellte dieser Antrag auf Eilrechtsschutz beim Dienstgericht des Landes Brandenburg.

Das Dienstgericht hat dem betroffenen Richter jetzt Recht gegeben und im Eilverfahren mit außergewöhnlich deutlichen Worten festgestellt, dass die ministerielle Versetzungsentscheidung „offensichtlich rechtswidrig“ sei, da die erforderliche Zustimmung des Richterwahlausschusses nicht vorliege. Der Wortlaut und die Gesetzessystematik sprächen eindeutig dafür, dass auch in diesem Fall die Zustimmung des Richterwahlausschusses erforderlich sei. Das habe bereits der Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg unmissverständlich in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 klargestellt (Beschluss vom 12. April 2013, Az. DGH Bbg. 1.13). Die Argumentation der Justizministerin, § 11 Abs. 1 des brandenburgischen Richtergesetzes sei verfassungswidrig und daher von ihr nicht anzuwenden, wies das Gericht mit deutlicher Schärfe zurück: Soweit die Ministerin das Gesetz für verfassungsrechtlich problematisch halte, stehe es ihr frei, ihre Kolleg:innen im Kabinett hiervon zu überzeugen und dann als Landesregierung das Landesverfassungsgericht zur Klärung anzurufen, oder als Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes in den Landtag einzubringen. Der von Frau Hoffmann gewählte Weg sei jedoch nicht akzeptabel: „Es geht (…) nicht an, dass wann immer (…) das Land seine eigenen Gesetze für verfassungswidrig hält, es diese einfach nicht anwendet“. Der von der Verfassung im Interesse der höheren Legitimation und der demokratischen Teilhabe des Parlaments bei Richterbesetzungen vorgegebene Weg bei unterschiedlichen Auffassungen der Gremien sei vielmehr der der Kompromissfindung mit dem Richterwahlausschuss. „Wenig überzeugend und rechtlich unhaltbar“ sei es hingegen, „wenn sich der Justizminister jedes Mal, wenn er die erforderliche Mehrheit im Richterwahlausschuss verfehlt, über diesen einfach hinwegsetzen könnte“.

Dr. Malte Engeler, Sprecher des Bundesvorstandes der Neuen Richtervereinigung: „Dass die Justizministerin des Landes Brandenburg sich mit ihrem Vorgehen in Widerspruch zum geltenden Recht setzt, war mit Blick auf die vorausgegangene Entscheidung aus 2013 mehr als absehbar. Es ist mehr als eine eklatante Irritation, dass sie trotzdem eigenmächtig – und letztlich erfolglos – zur Tat schritt. Die eigenmächtige Versetzung von Richter*innen unter Umgehung der Mitbestimmungsrechte des Richterwahlausschusses, unter Verletzung des geltenden Rechts und entgegen etablierter Rechtsprechung des Dienstgerichts beschädigt das Vertrauen in die Ministerin schwer. Dieses Vorgehen erweckt Assoziationen zu absolutistischen Herrschaftsformen, nicht aber zu einer rechtsstaatlichen und demokratischen Justizverwaltung. Es ist dringend geboten, dass sie den damit angerichteten Vertrauensschaden behebt und den aufgezeigten Weg der Kompromisssuche im Richterwahlausschuss geht. Richterwahlausschüsse arbeiten in vielen Bundesländern konstruktiv und konfliktfrei mit den Justizverwaltungen zusammen. Dass das in Brandenburg nicht möglich sein soll, erschließt sich überhaupt nicht.“

Die Entscheidung finden Sie im Anhang und ist im Volltext hier abrufbar: https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/2022_12_23-DG-7_22.pdf

[1] Das Gesetz hat auszugsweise folgenden Wortlaut: „Über die (…) Versetzung (…) entscheidet das zuständige Mitglied der Landesregierung gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss.“

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