Bundesregierung muss Bedingungen für Reparatur in Deutschland verbessern – Brüssel allein kann es nicht richten

Der Runde Tisch Reparatur, ein breit aufgestelltes Netzwerk aus den Bereichen Handwerk, Umwelt- und Verbraucherschutz, Wissenschaft, Beratung und ehrenamtlicher Reparatur, fordert von der Bundesregierung das herstellerunabhängige Recht auf Reparatur zu stärken. Es muss ein wesentliches Element der Ressourcenschonung werden. Auf deutscher und europäischer Ebene hat es die Politik bislang versäumt, hier ausreichend tätig zu werden, kritisieren der Runde Tisch Reparatur, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Germanwatch, Greenpeace, Vangerow und 20 weitere Organisationen übereinstimmend und begrüßen die im Koalitionsvertrag angekündigte Umsetzung des Rechts auf Reparatur.

Reparieren muss für Bürger*innen einfacher und für unabhängige Reparaturdienstleister rentabler werden, heißt es in einem heute veröffentlichten Forderungspapier. Das Potential der Reparatur für den Ressourcen- und Klimaschutz muss angesichts fortschreitender Krisen genutzt werden. Gemeinsames europäisches Vorgehen ist zentral. Entscheidend ist aber, dass die Bundesregierung in Deutschland reparaturfördernde Maßnahmen umsetzt. „Es ist sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung sich für ein Recht auf Reparatur einsetzen will. Damit dieses erreicht wird, muss sie auf EU-Ebene klare Akzente setzen und zum Beispiel beim geplanten Reparaturindex darauf dringen, dass hier der Preis von Ersatzteilen widergespiegelt wird, denn der entscheidet häufig darüber, ob überhaupt repariert wird oder nicht“, sagt Johanna Sydow, Vorsitzende des Runden Tisch Reparatur und Rohstoffexpertin bei Germanwatch.

Darüber hinaus sollte die Bundesregierung nicht nur auf die EU setzen, sondern auch nationale Möglichkeiten ausschöpfen: „Deutschland muss selbst aktiv werden und sich ein Beispiel an anderen europäischen Ländern nehmen, in denen die Kosten für Reparaturen durch eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen oder einen Reparaturbonus gesenkt wurden“, erklärt Janine Korduan, Referentin für Kreislaufwirtschaft beim BUND. Den Vorstoß der Grünen bezüglich eines Reparaturindexes sowie eines bundesweiten Bonus begrüßt sie daher. „Auch wenn 2020 mehr Elektrogeräte als im Jahr 2019 recycelt wurden, landeten immerhin fast 140.000 Tonnen in der Verbrennung. Weniger als zwei Prozent wurden repariert. Reparieren sollte nicht mehr die aufwendige Ausnahme sein, sondern schnell eine Selbstverständlichkeit werden.“ Korduan führt aus: „Sehr erfreulich ist, dass Thüringen das bundesweit einmalige Reparaturbonus-Modellprojekt aus dem Jahr 2021 nun weiterführen will. Wirklich bemerkenswert ist dabei die Einbeziehung von Reparaturcafés: Ersatzteile können – zusätzlich zur Reparatur – bezuschusst werden, wenn sie in einem Reparatur-Café eingebaut werden.“

Weiterhin müssen produktgruppenübergreifende Repararturanforderungen auf den Weg gebracht werden, die reparaturfreundliches Produktdesign vorschreiben. Außerdem braucht es deutschlandweite Angebote, die es ermöglichen, Erfahrungen mit Reparaturen zu sammeln: „Artenschutz und der Weg aus der Klimakrise sind nur mit dem Ende der Wegwerfgesellschaft erreichbar, vom Party-Top bis zum Handy muss Reparatur schon beim Design gesetzlich verpflichtend mitgedacht werden“, fordert Viola Wohlgemuth, Kampaignerin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz bei Greenpeace. „Zehn Prozent der Verkaufsflächen in Deutschland sollten bis 2030 für Alternativen zum Neukauf bereitgestellt werden. Reparatur, Mieten und Second-Hand-Angebote müssen das Stadtbild einer klimagerechten Zukunft prägen. Lineare Geschäftsmodelle sind nicht mehr zukunftstauglich!"

Um sicherzustellen, dass Verbraucher*innen über ein gutes Angebot an Reparaturdienstleitungen verfügen, ist es zudem dringend erforderlich, den Reparatursektor, der seit vielen Jahren schrumpft, zukunftsfähig zu machen. „Viele Reparaturwerkstätten stehen heute vor der Frage: Aufgeben oder Weitermachen? Kaum verfügbare oder überteuerte Ersatzteile, unfaire Behandlung durch große Konzerne und die frustrierende Suche nach Nachwuchskräften: Ob die Ampel-Regierung es ernst meint, wird sich daran zeigen ob sie Lösungen für diese Probleme schafft“, so Steffen Vangerow, Vorstandsmitglied des Runden Tisch Reparatur und Geschäftsführer der Vangerow GmbH.

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Reparierbarkeit von Produkten und den Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen verbessern sowie verpflichtende Update-Zeiträume für digitale Produkte einführen. Dies sind wichtige Maßnahmen, um die Lebensdauer unserer Produkte zu verlängern.

Das Forderungspapier des Runden Tisch Reparatur wird von folgenden Organisationen und Unternehmen unterstützt:

AfB, anstiftung, Blitzblume, BUND, Deutsche Gesellschaft für Warenkunde und Technologie, Deutsche Umwelthilfe, Deutscher Naturschutzring, fixfirst, Germanwatch, Greenpeace, iFixit, INKOTA, kaputt.de, NaturFreunde Deutschlands, Netzwerk Reparatur-Initiativen, Ökopol, Open Knowledge Foundation, Repair Café Aschaffenburg, ReUse e.V., Shiftphone, Südwind, Sustainable Design Center, Vangerow, WWF.

Weitere Informationen:
Forderungspapier: https://runder-tisch-reparatur.de/wp-content/uploads/2022/02/Umsetzung-Recht-auf-Reparatur-2022_Feb.pdf

Weitere Zitate der Mitunterzeichner

„Mit diesen Forderungen an die neue Bundesregierung für das Recht auf Waren-Reparaturmöglichkeiten, die ein breites Bündnis mit Unterstützung auch der ‘Deutsche Gesellschaft für Warenwissenschaften und Technologie e.V.&‘ richtet, werden multiple Nachhaltigkeitsziele adressiert, der auch die EU insgesamt verpflichtet ist. Daher wird die DGWT mit ihren nationalen Schwester-Gesellschaften in der IGWT eine diesbezüglich breite Distribution auch in anderen Ländern vornehmen.“
– Eberhard Seifert, Präsident der Deutschen Gesellschaft Warenkunde und Technologie

„70% aller Emissionen sind mit der Herstellung und Nutzung von Produkten verbunden – mit dem Recht-auf-Reparatur legen wir das Fundament für eine Circular Economy die zur Erreichung unserer Klimaziele unverzichtbar ist.”
– Sebastian Daus, Co-Founder & CEO FixFirst

„Nur wenn sich technische Geräte zukünftig leichter und günstiger reparieren lassen, können wir unseren viel zu hohen metallischen Rohstoffverbrauch in Deutschland reduzieren und die Rohstoffwende endlich voranbringen. Weniger Bergbau heißt auch weniger Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Abbauländern und damit mehr globale Gerechtigkeit.“
– Julius Neu, Referent Rohstoffpolitik, Wirtschaft und Menschenrechte bei INKOTA

„Wir müssen endlich anfangen Hardware zurück in die Hände der Verbraucher*innen zu legen und offen zu denken. Das Recht auf Reparatur ist ein wichtiger erster Schritt. Langfristig sollte es um Open Hardware gehen.“
– Maximilian Voigt, Advocacy Open Education & Hardware, Open Knowledge Foundation

„Ein Recht auf Reparatur ist das Recht der Eigentümerin einer Sache, diese Sache selbst zu reparieren oder durch eine Fachperson ihrer Wahl reparieren zu lassen. Dieses Recht kann nur verwirklicht werden, wenn die für eine Reparatur notwendigen Bedingungen insbesondere durch Hersteller oder Inverkehrbringer erfüllt werden, indem sie Ersatzteile und Reparaturinformationen zur Verfügung stellen.“
– Franz Streibl, Vorstandsmitglied des Runder Tisch Reparatur e.V.

„In Deutschland gibt es bisher nur eine ‚Kreislaufwirtschaft‘, die auf das ‚richtige Wegwerfen‘ schaut. Das Recht auf Reparatur stärkt und fördert dagegen eine echte Circular Economy, die den Erhalt von Ressourcen und Produkten in den Mittelpunkt stellt.“
– Rebecca Tauer, Programmleiterin Kreislaufwirtschaft beim WWF Deutschland

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Janine Korduan
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