Radzeitreisen in der Heimat des Archaeopteryx

Von den Lagunen eines subtropischen Meeres auf den Grund eines gigantischen Stromes, an den Rand eines gewaltigen Einschlagskraters und aufs Dach eines unterirdischen Labyrinths reisen Entdecker im Naturpark Altmühltal. Die Erdgeschichte ist hier in Bayerns Mitte vielerorts zum Greifen nah, sodass Ausflüge zu faszinierenden Touren durch die Jahrmillionen werden. Ein neuer Wegweiser zu den geologischen Höhepunkten der Region ist der GeoRadweg Altmühltal, der im Sommer 2022 offiziell eröffnet wird.

Auf zwei Varianten mit einer Länge von rund 201 beziehungsweise 182 Kilometern, die sich auch zu einer großen Rundtour verbinden lassen, führt die neue Strecke von West nach Ost durch das gesamte Naturparkgebiet. Dazu kommen vier Vorschläge für Rundtouren mit Längen zwischen 54 und 87 Kilometern. Das erste Kapitel, das die Tour in die Erdgeschichte aufschlägt, liegt rund 15 Millionen Jahre zurück: Damals traf ein Meteorit westlich des heutigen Naturpark Altmühltal auf die Erde. Gesteinsbrocken wurden Kilometer weit in die Landschaft geschleudert. Es entstand ein gigantischer Krater, das Nördlinger Ries, in dem mit der Stadt Nördlingen der Startpunkt des GeoRadwegs Altmühltal liegt. Von dort aus sind es nur wenige Kilometer in den Naturpark Altmühltal und zum Kraterrand, von dem sich beeindruckende Aussichten bieten. Genauer erkunden lässt sich der Meteoritenkrater zum Beispiel auf Lehrpfaden, aber auch mit Geocaches. Eine dieser neuen GPS-Schatzsuchen, die vom Geopark Ries erarbeitet wurden, liegt in der Nähe der Radroute: Am Doosweiher bei Wemding lösen Geocacher mehrere Teile eines Rätsels, um das Versteck mit dem Cachebehälter zu finden.

Anschließend geht die Reise noch weiter zurück in die Vergangenheit: Vor rund 147 Millionen Jahren lag die Gegend des heutigen Naturpark Altmühltal inmitten einer subtropischen Insel- und Lagunenlandschaft. Die Riffe des warmen Jurameers wurden später von gewaltigen Strömen wie der Urdonau zu zerklüfteten Felsen geschliffen. Der GeoRadweg Altmühltal führt zum Beispiel zur Felsformation „Zwölf Apostel“ bei Solnhofen, die zu den „100 schönsten Geotopen Bayerns“ gehört, sowie – auf einer Strecken-variante – durchs heute trockene Urdonautal bei Wellheim, das für seine Kletterfelsen bekannt ist.

Von Urvögeln und Hundebären

Aber auch den ehemaligen Bewohner des Jurameers begegnet man, denn einige von ihnen haben eingeschlossen in die Gesteinsschichten als Fossilien die Jahrmillionen überdauert und kamen in den Steinbrüchen wieder ans Licht. Berühmtestes Beispiel dafür ist der „Urvogel“ Archaeopteryx. Die wenigen Exemplare dieser Spezies, die Merkmale der Reptilien sowie der modernen Vögel in sich vereint, wurden alle in der Region gefunden. Entlang des GeoRadwegs Altmühltal bieten sich drei Gelegenheiten, dem „Urvogel“ einen Besuch abzustatten. Gleich mehrere Originalfunde zeigt das Museum Solnhofen in seinem „Paläo-Zoo“. In seiner Jahresausstellung 2022, die vom 1. April bis Anfang November zu sehen ist, widmet sich das Museum außerdem dem Wahrzeichen des Naturpark Altmühltal, dem Ammoniten. Auch das Jura-Museum auf der Willibaldsburg in Eichstätt ist eine Anlaufstelle für Dino-Fans. Wegen der laufenden Sanierungsarbeiten können Radler die Burg zwar nicht direkt ansteuern, das Museum ist aber dennoch gut zu erreichen. Der kleine Umweg lohnt sich nicht nur wegen des Archaeopteryx-Originals: Vom 25. Mai bis 6. November 2022 entführt eine Sonderausstellung mit beeindruckenden Landschaftsrekonstruktionen in den „Molassic Park“ und damit in die Zeit nach den Dinosauriern, als Hundebären, Hauerelefanten und Menschenaffen zwischen Zimtbäumen und Sumpf-zypressen das heutige Bayern durchstreiften.

Der dritte „Urvogel“ der Tour wartet bei Denkendorf auf Entdeckungen: Dort begeistert das Dinosaurier Museum Altmühltal vor allem Familien mit seinen lebensgroßen Dino-Rekonstruktionen, die geschickt entlang eines Waldwegs platziert wurden. Abgerundet wird das Urzeiterlebnis hier durch die Museumshalle, deren Glanzstücke das Skelett eines jungen Tyrannosaurus rex und ein gigantischer Flugsaurier sind, sowie durch den Pavillon des Naturpark Altmühltal mit dem Archaeopteryx als Herzstück. Wer Lust hat, geht im Naturpark Altmühltal auch selbst auf Fossiliensuche. Am oder in der Nähe des GeoRadweg Altmühltal liegen die Steinbrüche für Hobbysammler bei Mörnsheim, Solnhofen, Eichstätt und Altmannstein.

Das Wasser als Baumeister

Für manche geologischen Attraktionen lohnt es sich, die Fahrräder stehen zu lassen und ein Stückchen zu Fuß zu gehen. Nahe Beilngries führt eine kurze Wanderung zum Beispiel zum ehemaligen Steinbruch am Arzberg, wo an den 70 Meter hohen Abbruchwänden die einzelnen Ablagerungsschichten aus rund fünf Millionen Jahren Erdgeschichte zu sehen sind. Ein paar Kilometer weiter liegt der stille Teich der Mühlbachquelle bei Dietfurt – der Eingang zu einem weit verzweigten Höhlenlabyrinth. Dieses dürfen zwar nur Forscher betreten, doch auch der acht Kilometer lange Höhlenkundliche Wanderweg, der dem Verlauf der Höhle oberiridisch folgt, gibt dank Schautafeln Einblicke in die faszinierende Unterwelt. Außerdem ist im historischen Jurahaus-Ensemble Obermühle direkt am Quellteich die Ausstellung „Stein.Wasser.Höhle“ kostenlos zugänglich. Ein Stück weiter dringen bei Essing Besucher der Tropfsteinhöhle Schulerloch In unterirdische Welten vor. Ein kurzer Fußmarsch führt vom Radweg hinauf; Räder und Gepäck sind währenddessen in den abschließbaren Fahrradboxen gut aufgehoben. Bei der Führung mit Multimedia-Präsentation erleben Teilnehmer das Wasser als Baumeister fragiler Stalagmiten und Stalagtiten, unternehmen aber auch eine Reise in die Zeit der Neandertaler, die einst in der Höhle Zuflucht suchten.

Eines der spektakulärsten Beispiel für die stete Kraft des Wassers bietet sich als krönender Abschluss der Tour auf dem GeoRadweg Altmühltal an: Zwischen Kelheim und dem Kloster Weltenburg strömt die Donau zwischen den bis zu 70 Meter hohen und fast senkrecht aufragenden Felswänden des Donaudurchsbruchs hindurch. Nirgends ist ihr Bett enger. Wer diese einzigartige Landschaft, die seit kurzer Zeit das erste eingetragene „Nationale Naturmonument“ Bayerns ist, aus der schönsten Perspektive genießen möchte, geht am besten an Bord eines Ausflugsschiffs. Auch die Räder dürfen mitfahren. Und danach lässt man bei einer Einkehr im Biergarten des Klosters Weltenburg, das idyllisch direkt am Donaustrand liegt, die Erlebnisse der Tour noch einmal Revue passieren.

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