Dürfen wir Thunfisch noch essen?

– Die globalen Thunfisch-Fangmengen haben sich seit 1950 verzwölffacht
– Von weltweit 23 Thunfischbeständen sind 15 in gutem Zustand, 3 gelten als überfischt. Doch diese Situation ist fragil
– Nur ein Zehntel des im deutschen Einzelhandel verkauften Thunfischs stammt aus nachhaltiger, MSC-zertifizierter Fischerei
– Insbesondere beim Dosenthunfisch im unteren Preissegment ist das Nachhaltigkeitsdefizit im deutschen Markt enorm

77 Tausend Tonnen Thunfischprodukte wurden im vergangenen Jahr nach Deutschland importiert. Gerechnet auf die Bevölkerung macht das fast 1 kg Thunfisch pro Kopf und Jahr. Ob auf der Pizza, als Sushi oder im Salat: Thunfisch steht heute auf Platz vier der beliebtesten Speisefische Deutschlands, sein Marktanteil ist in den vergangenen 20 Jahren von acht auf 15 Prozent des gesamten Fischverzehrs gestiegen. Deutschland liegt damit im globalen Trend: Die weltweiten Thunfischfangmengen haben sich seit 1950 verzwölffacht.

Welche Implikationen hat dieser Trend in den Meeren? Wie steht es um die weltweiten Thunfischbestände, wie um das Thema Beifang? Und nicht zuletzt: Wie nachhaltig ist eigentlich das Thunfischangebot im deutschen Markt und dürfen wir überhaupt noch Thunfisch essen? Diesen und vielen weiteren Fragen geht der "MSC Thunfisch-Bericht 2019" auf den Grund. Er wurde am Wochenende anlässlich des Internationalen Tages der Meere veröffentlicht.

Deutschland im Namen der Dose

Deutschland und Thunfisch – das sind vor allem Konservenprodukte und Echter Bonito, so eines der Ergebnisse der aktuellen Marktanalyse, welche DTO Research und IRI Infoscan im Auftrag des MSC durchgeführt haben: 71 Prozent des in Deutschland konsumierten Thunfischs kommen aus der Dose – und in 95% dieser Dosen steckt Echter Bonito.

Bei so viel Echtem Bonito übersieht man schnell, dass es weltweit 15 verschiedenen Thunfischarten gibt, und immerhin sieben davon in großem Rahmen befischt werden. In Deutschland sind neben dem Echten Bonito derzeit nur zwei dieser sieben im Einzelhandel zu finden: der Weißen Thunfisch und der Gelbflossenthun.

Zwei Drittel der globalen Thunfischbestände in gutem Zustand

Nach einer aktuellen, repräsentativen Meinungsumfrage von INSA Consulere, denken immerhin 15 Prozent der hiesigen VerbraucherInnen beim Thema Thunfisch nicht zuerst an leckeres Essen oder guten Geschmack – sondern vor allem an Überfischung. Um sich diesem Thema anzunähern ist es wichtig zu verstehen, dass sich jede der sieben großen Thunfischarten in mehrere Bestände aufteilt, welche sich wiederum jeweils in ganz unterschiedlich gutem Zustand befinden. Für den Echten Bonito sieht die Lage ganz gut aus – hier gelten alle Bestände als gesund. Beim Gelbflossenthun hingegen ist der Bestand im Indischen Ozean überfischt, während es den beiden pazifischen Beständen gut geht, und beim Weißen Thun ist es die Lage wieder anders.

Doch auch wenn die Wissenschaft aktuell davon ausgeht, dass 65 % aller Thunfischbestände in einem guten Zustand sind, bleibt die Situation fragil. Denn ohne klare Befischungsregelungen können Bestände, die heute im grünen Bereich sind, auch schnell auf gelb oder rot kippen. Umgekehrt kann eine nachhaltige Befischung positive Auswirkungen haben – der Blauflossenthunfischbestand im Mittelmeer etwa, der lange Zeit gefährdet war, aber sich jetzt langsam auf dem Weg der Besserung befindet, ist hier ein Beispiel.

Thunfischangebot im deutschen Einzelhandel mit großer Nachhaltigkeitslücke

Die aktuelle Marktanalyse, die DTO Research und IRI Infoscan im Auftrag des MSC durchgeführt haben, zeigt, dass nur ein Zehntel des im deutschen Einzelhandel verkauften Thunfischs aus nachhaltiger, MSC-zertifizierter Fischerei stammen.

Das bedeutet auch: 90 Prozent des in Deutschland verkauften Thunfischs sind weder kontrolliert noch rückverfolgbar. Weder wissen wir, ob die Fangmengen dieser Fischereien den jeweiligen Bestandsgrößen angemessen sind, noch können wir einschätzen, wieviel Beifang sie möglicherweise haben. Kurz: Beim Gros der Thunfischprodukte in deutschen Supermärken können wir über ihre Nachhaltigkeit keine gesicherte Aussage treffen. Insbesondere beim Dosenthunfisch im unteren Preissegment ist das Nachhaltigkeitsdefizit enorm.

Stefanie Kirse, Leiterin des MSC Deutschland/Österreich/Schweiz: „Im Fokus der Nachhaltigkeitsbemühungen von Handel und Herstellern sollten künftig jene 90 Prozent des in Deutschland verkauften Thunfischvolumens stehen, die aus nicht weiter bekannten, kontrollierten oder rückverfolgbaren Quellen stammen.  Aus welchen Fischereien kommen diese Mengen? Wurden sie legal und nachhaltig gefischt? Welchen verlässlichen, unabhängigen Nachweis gibt es über die eingesetzten Fangmethoden? Nachhaltigkeit braucht Transparenz, Rückverfolgbarkeit und unabhängige Kontrollen!“

Den Handel ruft der MSC in seinem Thunfisch-Bericht auch dazu auf, auf Sonderangebote und Tiefstpreise zu verzichten: Die wertvolle Ressource Thunfisch sollte ihren Preis haben. Und auch Nachhaltigkeit gibt es nicht umsonst, denn nachhaltige Fischerei erfordert Investitionen, Veränderungen und Kontrollen.

Über den Report

Der MSC Thunfisch-Bericht 2019 beleuchtet den aktuellen Zustand der weltweiten Bestände, die wirtschaftliche Bedeutung des Thunfischmarkts und den Verkauf von Thunfischprodukten in deutschen Supermärkten. Auch oftmals kontrovers diskutierte Themen wie Überfischung, Delfinbeifang, spezifische Fangmethoden oder der Einsatz von Fischsammlern (FADs) kommen zur Sprache.

Neben Schaubildern, Infografiken und den Ergebnissen einer umfassenden, aktuellen Markterhebung vervollständigen Fachartikel mit Hintergrundinformationen und Fallbeispiele die umfangreiche Analyse. So äußert sich z. B. Georg Werner von der Environmental Justice Foundation in einem Gastbeitrag zu illegaler Fischerei, und eine repräsentative Verbraucherumfrage zeigt, warum Thunfisch in Deutschland so beliebt ist.

Ziel des Berichts ist es eine informierte und faktenbasierte Diskussion zum Thema Thunfisch zu fördern. Zum anderen möchten wir Verbrauchern, Herstellern und Handel Impulse für einen nachhaltigen Thunfischeinkauf geben.

Der MSC-Thunfisch-Bericht 2019 zum Download als PDF

Der MSC-Thunfisch-Bericht 2019 als speziell aufbereitete „Scrollytelling“-Version (Shorthand-Story)

Über Marine Stewardship Council

Der MSC (Marine Stewardship Council) ist eine internationale gemeinnützige Organisation. Unsere Vision sind gesunde Meere, deren Ertragsfähigkeit für die heutige wie für künftige Generationen gesichert ist. Unser Zertifizierungsprogramm und das MSC-Siegel belohnen nachhaltige Fischereien und helfen dabei, ein positives Umdenken bei Fischereien herbeizuführen und ökologische Verbesserungen für unsere Meere zu erwirken.

Das MSC-Siegel auf Produkten bedeutet, dass:

– die Fische und Meeresfrüchte aus Fischereien stammen, die in einer unabhängigen Prüfung bewiesen haben, dass sie dem MSC-Umweltstandard gerecht werden.
– die Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprung gewährleistet ist.

Rund 370 Fischereien in 36 Ländern sind bereits nach dem MSC-Standard zertifiziert. Zusammen fangen diese Fischereien fast 12 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte – das sind ca. 15 Prozent der weltweiten Fangmenge. Weitere Informationen unter www.msc.org/de.

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