Alexej von Jawlensky (1864–1941) und Marianne von Werefkin (1860–1938) sind in den Kanon der Kunstgeschichte als eines der wegweisenden Künstlerpaare der Avantgarde eingegangen. Mit der von ihnen 1909 initiierten Gründung der „Neuen Künstlervereinigung München“, aus der zwei Jahre darauf der „Blaue Reiter“ hervorgegangen ist, haben sie nicht nur als Vordenkerin (Werefkin) und malerischer Impulsgeber (Jawlensky) dieser Vereinigungen die Moderne vorangetrieben, sondern auch jeder für sich und zusammen als Paar einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Kunst am Beginn des 20. Jahrhunderts geleistet. Bemerkenswert ist aus diesem Grund, dass ihre Bedeutung bislang lediglich innerhalb dieser Vereinigungen beleuchtet oder in Einzelausstellungen gewürdigt wurde, sie aber als private wie künstlerische „Partner“, die sie fast dreißig Jahre (1892—1921) gewesen sind, noch nicht gemeinsam und explizit vorgestellt wurden.
"Die beiden treibenden Kräfte des Expressionismus Jawlensky und Werefkin erstmals im direkten Gegenüber vereint präsentieren zu können, war ein lang gehegter Wunsch des Museums Wiesbaden", sagt Dr. Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung. "Endlich kann man sehen, was die beiden Künstler vereinte, was sie voneinander trennte und vor allem, was sie 29 Jahre lang trotz kompliziertester familiärer Verhältnisse zusammenhalten ließ – ihr unbedingter Wille am Beginn des 20. Jahrhunderts die Kunst zu erneuern."
Das in enger Kooperation mit dem Lenbachhaus München konzipierte Ausstellungsprojekt "Lebensmenschen – Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin" (13. März bis 12. Juli 2020) leistet einen grundlegenden Beitrag zur Forschung über die beiden Künstlerpositionen und vereint zentrale Werke Jawlenskys und Werefkins auf rund 900 qm Ausstellungsfläche.
"Ich freue mich sehr, dass wir diese Ausstellung gemeinsam mit dem Lenbachhaus realisieren, denn damit spielen beide Institutionen herausragende Schwerpunkte ihrer Sammlungen aus", sagt Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. "Die eigenen Sammlungen als Ansatzpunkte für Sonderausstellungen zu nehmen, ist wichtig, um unseren Besuchern immer größere Zusammenhänge zu erschließen. Zugleich beweist diese Ausstellung, dass Forschung eine der Kernaufgaben des Museums ist."
Die Schau verfolgt die einzelnen künstlerischen Werdegänge beider Persönlichkeiten (Sankt Petersburg, München, Murnau, Schweiz), setzt sie zueinander in Beziehung und bringt ihre ständig in Veränderung begriffenen privaten Verhältnisse miteinander in Verbindung. Dabei thematisiert die Ausstellung auch über den kunsthistorischen Blick hinaus stets biografische Aspekte, wodurch ihren Werken eine weitere inhaltliche Ebene hinzugefügt wird. Dies zeichnet sich insbesondere in der Präsentation der rund 187 Gemälde, Zeichnungen und Skizzenbücher ab. Jawlenskys und Werefkins Arbeiten werden durchgehend im unmittelbaren Wechsel gezeigt; ihr visueller Dialog verdeutlicht die gemeinsame aber auch die individuelle künstlerische Entwicklung. Die Zusammenschau der bislang getrennt gesehenen Werke gewährt teils überraschende Einblicke in alle Schaffensphasen des Künstlerpaars, welche die Besucherinnen und Besucher über 15 Ausstellungsräume nachvollziehen können.
Der Ausstellungsrundgang erörtert chronologisch die Lebenswege der beiden Künstler, beginnend mit den Anfängen in Russland 1892–1886, gefolgt von einem langjährigen Aufenthalt in München 1896–1914 (mit produktiven gemeinsamen Arbeitsphasen u.a. in Murnau 1908–1910) bis hin zum Exil in der Schweiz 1914–1921 und der Trennung des Paares mit Jawlenskys Umzug nach Wiesbaden (Juni 1921) und Werefkins letzten Lebensabschnitt in Ascona. Ebenfalls präsentiert die Schau Werke, die auf gemeinsamen Reisen beispielsweise in Oberstdorf oder Prerow entstanden sind oder aus ihrem künstlerischen Umfeld vor allem im Bereich des Schauspiels inspiriert wurden.
Eine eigens für die Ausstellung produzierte Dokumentation, die an originalen Schauplätzen aus dem Leben des Künstlerpaars gedreht wurde (Regie: Ralph Goertz – IKS Medienarchiv Düsseldorf), wird in einem im Rundgang integrierten Filmraum gezeigt. Der „Gelbe Salon“ lädt alle Gäste dazu ein, ihren Lebensmenschen in Schrift und Bild Raum zu geben und mit anderen Gästen zu teilen. Ein umfangreiches Begleitprogramm umrahmt die Schau.
Zur Ausstellung „Lebensmenschen“ ist der gleichnamige Katalog beim Prestel Verlag in München (ISBN 978-3-7913-6976-1, für 36 Euro an der Museumskasse in dt./en.) und für Kinder im Alter von sechs bis 12 Jahren das Begleitbuch Alexej und Marianne (ISBN 978-3-89258-130-7, für 9 Euro) erschienen.
Ein kostenloser Audioguide (dt./en.) steht in der Museumsapp zum Download zur Verfügung. Ebenfalls wurden als kostenfreie Handreichungen Begleithefte (dt./en.) verfasst.
Ein Ausstellungsprojekt mit der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München.
In Kooperation mit dem Alexej von Jawlensky Archiv, Muralto/CH und der Fondazione Marianne Werefkin, Ascona/CH.
Gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain, von der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Nassauischen Sparkasse sowie der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen.
Das Museum Wiesbaden ist das Landesmuseum für Kunst und Natur in der Hauptstadt Hessens. Die Exponate des Zweispartenhauses reichen von naturkundlichen Objekten bis in die aktuelle Gegenwart und gliedern sich einerseits in die Kunstsammlungen Alte Meister, 19. Jahrhundert und Jugendstil, Klassische Moderne, Kunst der Gegenwart und Moderne sowie andererseits die Naturhistorischen Sammlungen. Das Museum besitzt die international beduetendste Sammlung des Werkes von Alexej von Jawlensky.
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