Seit 2020 gibt es in Deutschland ein Instrument, das wie gemacht für diese Situation scheint, aber immer noch nicht von allen genutzt wird: die steuerliche Forschungszulage.
Im Gegensatz zu klassischen Fördergeldern (Grants) ist die Forschungszulage ein steuerlicher Anspruch. Das bedeutet: Wer forscht, hat das Recht auf diese Förderung – ohne "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst"
Warum Biotech und Forschungszulage ein "Perfect Match" sind
Die Kriterien für die Forschungszulage basieren auf dem sogenannten Frascati-Handbuch der OECD. Förderfähig sind:
- Grundlagenforschung
- Industrielle Forschung
- Experimentelle Entwicklung
Biotech-Unternehmen bewegen sich fast definitionsgemäß ständig in diesen Kategorien. Ob Sie an neuen Wirkstoffkandidaten forschen, innovative Assays entwickeln oder Fermentationsprozesse optimieren – diese Tätigkeiten sind in der Regel förderfähig, solange sie neuartig, schöpferisch, ungewiss, systematisch und reproduzierbar sind.
Was wird konkret gefördert?
Die Bemessungsgrundlage ist attraktiv gestaltet, insbesondere für Unternehmen, die viel "in-house" arbeiten oder aber Aufgaben an CROs (Contract Research Organizations) vergeben.
- Personalkosten: Die Bruttolöhne (plus Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung) des F&E-Personals werden berücksichtigt. Wenn ein Wissenschaftler zu 100 % im Labor steht, sind 100 % seines Gehalts ansetzbar.
- Auftragsforschung: Viele Biotechs lagern Teile der Forschung an spezialisierte Labore oder Universitäten aus. 70 % (früher 60 %) dieser Rechnungen können in die Bemessungsgrundlage einfließen.
- Eigenleistung von Einzelunternehmern: Auch die Arbeitszeit von forschenden Mitunternehmern kann pauschal (40 €/Std., max. 120 Std./Woche) angesetzt werden.
- Abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter: Seit dem Wachstumschancengesetz können unter bestimmten Voraussetzungen auch Abschreibungen auf für das F&E-Projekt genutzte Maschinen/Geräte gefördert werden.
Die Förderquote: Im Regelfall erhalten Sie 25 % der Bemessungsgrundlage als Zulage. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können unter bestimmten Voraussetzungen sogar von einer Erhöhung auf 35 % profitieren.
Der entscheidende Vorteil: Liquidität für Loss-Making Companies
Dies ist der wichtigste Punkt für Biotech-Startups: Die Forschungszulage wird auf die zu zahlende Körperschafts- oder Einkommensteuer angerechnet.
Aber was, wenn Sie (wie die meisten Life-Science-Startups) noch gar keine Gewinne machen und keine Steuern zahlen?
In diesem Fall wird die Forschungszulage vom Finanzamt als Bargeld (Cash) ausgezahlt. Sie wirkt also wie eine direkte Finanzspritze, die Ihre Runway verlängert, ohne dass Sie Anteile (Equity) abgeben müssen.
Rechenbeispiel (vereinfacht)
Ein Biotech-KMU hat im Jahr 2024 folgende F&E-Aufwendungen:
- F&E-Personal: 600.000 €
- Rechnungen von CROs (Auftragsforschung): 400.000 € (davon 70% ansetzbar = 280.000 €)
Bemessungsgrundlage: 880.000 € Zulage (bei 25%): 220.000 € Cash-Back vom Finanzamt.
Der Prozess: So kommen Sie an das Geld
Der Weg zur Forschungszulage ist zweistufig und, verglichen mit EU-Anträgen, erfrischend schlank.
Schritt 1: Die Zertifizierung (BSFZ)
Sie stellen einen Antrag bei der Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ). Hier beschreiben Sie die technischen Aspekte Ihrer Projekte:
- Was ist das technische Risiko?
- Welche Innovation streben Sie an?
- Wie gehen Sie systematisch vor?
Die BSFZ prüft nur den Inhalt, nicht die Kosten. Wenn das Projekt als F&E anerkannt wird, erhalten Sie einen Bescheid.
Schritt 2: Der Antrag beim Finanzamt
Mit dem Bescheid der BSF beantragen Sie die Zulage über das ELSTER-Portal beim Finanzamt. Hier geben Sie die tatsächlichen Kosten an. Das Finanzamt verrechnet oder überweist den Betrag dann im Rahmen der nächsten Steuerfestsetzung.
Wichtige Tipps für Biotech-Unternehmen
- Rückwirkende Beantragung: Sie haben bis zu vier Jahre Zeit. Aktuell können Sie noch Anträge für Projekte stellen, die ab dem 01.2020 begannen. Das ist oft "gefundenes Geld" aus der Vergangenheit.
- Dokumentation ist alles: Das Finanzamt prüft die Stundenzettel. In der Biotech-Branche ist Labordokumentation Standard, aber achten Sie darauf, dass die Arbeitszeiten der Forscher pro Projekt sauber getrackt sind.
- Abgrenzung Routine vs. R&D: Qualitätskontrolle (QC) ist meist keine Forschung. Die Methodenentwicklung für die QC hingegen oft schon. Eine saubere Trennung ist essenziell, um Rückfragen zu vermeiden.
Fazit
Die Forschungszulage ist ein mächtiges Instrument zur Innenfinanzierung von Biotech-Unternehmen in Deutschland. Sie ist branchenneutral, aber durch die hohen Personalkosten und die Risikostruktur der Biotechnologie profitieren Life-Science-Unternehmen überdurchschnittlich stark.
Wer in Deutschland Wirkstoffe entwickelt oder Diagnostik revolutioniert und dieses Instrument nicht nutzt, lässt bares Geld auf dem Labortisch liegen.
Die Steinbeis Technologie- & Innovationsberatung GmbH (STI) ist führend in der Antragsberatung für Fördermittel im Bereich der Forschung und Entwicklung. Die Schwerpunkte liegen in der Beantragung komplexen Innovationsvorhaben mit bis zu 10 Verbundpartnern. Mit Einführung der steuerlichen Forschungszulage im Jahr 2020 baute die STI dieses neuartige Instrument als weiteres Geschäftsfeld aus. Die STI ist Teil des Steinbeis Verbundes mit Sitz in Stuttgart. Der Steinbeis Verbund erzielt mit über 2000 Mitarbeitenden einen Gruppenumsatz von über 170 Mio. € und gilt als weltweit führend im unternehmerischen Technologietransfer.
Web: steinbeis-beratungszentrum.com
Ansprechpartner: Helmut Haimerl, Geschäftsführer
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